Kultur & Geschichte

Große Frauenrechtlerinnen in Berlin: Hedwig, Minna und Helene

Die organisierte Frauenbewegung im Kaiserreich war eines meiner Themen in der Magisterprüfung. Bisher war mir allerdings nicht in den Sinn gekommen, nach Spuren von Frauenrechtlerinnen in Berlin zu suchen. Dabei gibt es sie. Hier erfahrt ihr, wo bedeutenden Persönlichkeiten wie Minna Cauer, Helene Stöcker, Hedwig Dohm oder Helene Lange gedacht wird.

Frauenbewegung im Kaiserreich

Mit den Anfängen der Frauenbewegung lassen sich ganze Vorlesungen und dicke Bücher füllen – eine Zusammenfassung in wenigen Sätzen ist eigentlich kaum möglich, aber ich versuche es mal. Ihre Wurzeln liegen in der Revolution von 1848, an der sich Frauen beteiligten, weil sie in einer Demokratie bessere Bedingungen für ihre Anliegen sahen. Die in den folgenden Jahren erlassenen Vereinsgesetze versuchten ihre Bemühungen direkt im Keim zu ersticken. Dennoch gründeten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer mehr Frauenvereine, die sich unter anderem für das Recht auf Bildung und Arbeit einsetzten. Zumindest die sogenannten „Gemässigten“. Die „Radikalen“ brachten auch damals schon das Frauenwahlrecht oder sogar sexuelle Selbstbestimmung auf den Tisch. Die Rede ist hier von der bürgerlichen Frauenbewegung, die nur wenige Gemeinsamkeiten mit der proletarischen Frauenbewegung hatte. Diese Frauen hatten gar keine andere Wahl als von morgens bis abends zu schuften und kämpften gemeinsam mit ihren Männern für einen Systemwechsel. Das ist aber ein anderes Thema.

Lesenswerte Bücher zur Frauenbewegung

Hedwig Dohm: „Mehr Stolz, ihr Frauen!“

Hedwig Dohm (1831-1919) ist bis heute vor allem für ihren Ausspruch „Menschenrechte haben kein Geschlecht“ bekannt und ich finde, man kann sie einfach nur bewundern. Sie verfasste zahlreiche Schriften, in denen sie sich für die Gleichstellung der Geschlechter aussprach, forderte schon 1873 das Frauenwahlrecht und gilt als die brillianteste und radikalste Feministin ihrer Zeit. Auf die Würdigung ihrer Lebensleistung musste sie in der Hauptstadt allerdings lange warten. Die Berliner Gedenktafel am Haus ihrer Kindheit in der Friedrichstraße 235 wurde 2013 angebracht …

Frauenrechtlerinnen in Berlin
Gedenktafel Hedwig Dohm

… ihr Ehrengrab auf dem Alten St. Matthäus-Kirchhof in Schöneberg erhielt sie erst 2019 – 100 Jahre nach ihrem Tod. Was hätte sie dazu wohl gesagt? Vielleicht das Gleiche, was sie zur Einführung des Frauenwahlrechts 1918 gesagt haben soll: „Zu spät, zu spät!“. Ihr Grab galt lange als verschollen, darum wurde ein neuer Grabstein aufgestellt, auf den ihr wohl berühmtester Satz eingraviert wurde. Ihr findet es, wenn ihr vom Eingangstor an der linken Mauer bis ganz hinten lauft, direkt vor dem „Garten der Sternenkinder“.

Frauenrechtlerinnen in Berlin
Grabstein Hedwig Dohm

Bereits seit 2007 gibt es die nach ihr benannte Straße, die in Schöneberg auf den Hildegard-Knef-Platz zuläuft. Übrigens hatte Hedwig Dohm neben all ihrem Engagement auch fünf Kinder. Ihre vier Töchter erhielten alle eine gute Schul- und Berufsausbildung und eine ihrer Enkelinnen wurde ebenfalls berühmt: Katia Mann. Mehr über Hedwigs Leben, ihre Schriften und ihre schönsten Zitate findet ihr im Digitalen Deutschen Frauenarchiv.

Hedwig-Dohm-Straße Berlin

Helene Lange

Helene Lange (1848-1930) gilt als die bedeutendste Vertreterin des gemäßigten Flügels der deutschen Frauenbewegung. Sie wurde in Oldenburg in eine Kaufmannsfamilie geboren und mit nur 16 Jahren zur Vollwaisin. Nach einem intensiven Selbststudium siedelte sie 1871 nach Berlin um, wo sie im Jahr darauf das Lehrerinnenexamen bestand. In den folgenden Jahrzehnten setzte sie sich intensiv für Mädchenbildung ein, baute Gymnasialkurse für Mädchen und Lehrerinnenseminare auf und gründete 1890 der „Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein“.

Eine erste Gedenktafel wurde bereits 1989 an ihrem ehemaligen Wohnhaus in der Kunz-Buntschuh-Straße 7 angebracht, nach Zerstörung allerdings erst 2012 wieder erneuert. Das Foto ist etwas verschwommen – keine Ahnung, wer in dem vergitterten Haus mit Stacheldraht drumherum wohnt (das kann doch in Kopfhöhe kaum legal sein?!), aber ich wollte ungern klingeln und fragen, ob ich mal kurz für ein Foto eintreten darf.

Gedenktafel Helene Lange

Ein Berliner Ehrengrab bekam sie bereits 1956 auf dem Waldfriedhof in Berlin-Westend (Lage 5-A-1, direkt unterhalb der Kapellenmauer). Ihr Grabstein erinnert zudem an ihre Lebensgefährtin und Mitstreiterin Gertrud Bäumer, die nicht in Berlin bestattet wurde. Mit der lebte Lange übrigens zusammen. Von wegen nicht radikal! Radikal war damals übrigens verächtlich gemeint, ich sehe es in dem Zusammenhang als Kompliment.

In Steglitz gibt es passenderweise eine Helene-Lange-Schule und im Landesarchiv Berlin findet ihr auch ein Helene-Lange-Archiv. Das beinhaltet unter anderem ihren schriftlichen Nachlass. Mehr zu ihrer Biografie, ihren Schriften und Zitate findet ihr hier – sie gab nicht nur die Zeitschrift „Die Frau“ heraus, sondern auch das „Handbuch der Frauenbewegung“ in fünf Bänden.

(Gehört nicht hierher, aber die Anzahl an Ehren- und Promigräbern ist auf dem Friedhof echt enorm. Gefühlt blieb ich alle fünf Meter mit einem „Ooohhh“ stehen. Der Text soll Frauen gewidmet sein, darum nenn ich jetzt keine Namen, aber der Spaziergang hat schon ein paar Erinnerungen geweckt. Da erreichten mich Chefarztgrüße aus der Schwarzwaldklinik, musste ich an die Ost-West-Satire „Eins, Zwei, Drei“ denken und beim Anblick des Grabes mit den vielen Quietscheentchen sah ich schmunzelnd vor meinem inneren Auge 2 Herren in einer Wanne sitzen. Wer jetzt genau weiß, was bzw. wen ich meine, ist alt. Sorry!)

Minna Cauer

Das Ziel der 1841 geborenen Frauenrechtlerin war nicht weniger als die „allumfassende Gleichberechtigung der Frau im Staat“. Minna Cauer war eine der führenden Persönlichkeiten des radikalen Flügels und gründete gemeinsam mit anderen die Zeitschrift „Frauenwohl“ – das Sprachorgan des Flügels, für das sie über 400 Artikel schrieb. Sie galt zudem als mitreissende Rednerin. Mehr über sie könnt ihr ebenfalls im Digitalen Deutschen Frauenarchiv nachlesen. Ihr Grab wurde schon 1952 zu einem Ehrengrab des Landes Berlin und befindet sich ebenso wie das von Hedwig Dohm in Schöneberg auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof.

Frauenrechtlerinnen in Berlin
Grabstein Minna Cauer
Ehrengrab Minna Cauer

Im Internet findet man außerdem eine Gedenktafel, die sich an ihrem ehemaligen Wohnhaus befinden soll. Dort konnte ich allerdings nichts entdecken außer einen Spachtelfleck an der Fassade, wo eventuell eine Tafel hing. Auf Nachfrage bei der Stadt hab ich tatsächlich recht schnell eine Antwort aus der Senatskanzlei erhalten: „… konnte ich in Erfahrung bringen, dass die Gedenktafel für Minna Cauer in der Mansteinstraße 8 in Schöneberg damals von einer privaten Initiative angebracht wurde. Diese betrieb zugleich einen Kiezladen bzw. Nachbarschaftstreff im Erdgeschoß desselben Hauses. Diese sind jedoch inzwischen verzogen und haben dabei ebenfalls die Gedenktafel abgenommen.“ Das macht ja irgendwie keinen Sinn! Die Tafel hätten sie doch wohl dranlassen können! Seit 2005 trägt eine Straße direkt vor dem Hauptbahnhof ihren Namen.

Minna-Cauer-Straße Berlin

Und hier noch ein kleiner Nachtrag anlässlich des Frauentages 2023: heute wurde eine Replik der seit Jahrzehnten verschollenen Büste Minnas auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof eingeweiht. Dazu gab es einige Reden und ein passendes Zitat: „Vollendet, was wir angefangen haben!“

Helene Stöcker

Sie ist die einzige der Vier, von der ihr in Berlin kein Ehrengrab findet. Helene Stöcker war eine der radikalsten Frauenrechtlerinnen ihrer Zeit und eckte dadurch auch innerhalb der Bewegung an. 1905 gründete sie den „Bund für Mutterschutz“, der sich für die Rechte lediger Mütter und ihrer Kinder einsetzte. Bereits damals kämpfte sie für die Abschaffung des §218, für eine gleichberechtigte Sexualität von Mann und Frau sowie die sexuelle Befreiung der Frauen. Sie war ihrer Zeit wirklich um Lichtjahre voraus, was ihr letztlich zum Verhängnis wurde. Nach dem Reichstagsbrand flüchtete sie in die USA, wo sie 1943 einsam und verarmt in New York verstarb. Die Gedenktafel an ihrem ehemaligen Wohnhaus in der Münchowstr. 1 in Nikolassee gibt es seit 1994.

Frauenrechtlerinnen in Berlin

Natürlich sind das nur vier unter vielen, man könnte hier noch etliche andere wie zum Beispiel Lina Morgenstern vorstellen. Alle diese Frauen haben Bewunderung verdient und es freut mich, dass sie inzwischen verstärkt mit Gedenktafeln, Straßenbenennungen und Ehrengräbern wieder ins Gedächtnis gerückt werden. Von Parität kann in all diesen Bereichen allerdings noch lange nicht die Rede sein. Von fast 700 Berliner Ehrengräbern beispielsweise beträgt der Frauenanteil nur etwas über 10 Prozent.

Wollt ihr mehr zum Thema Frauengeschichte in Berlin lesen? Dann schaut doch auch hier rein: Frauenproteste in der Rosenstraße, Frauentag Berlin – eine Spurensuche und Filmfest FrauenWelten. Oder besucht „BerlinZEIT“ im Ephraim-Palais. Frauenbewegung ist dort zwar nur ein kleiner Teil der Ausstellung, aber insgesamt ist das Museum ohnehin einen Abstecher wert.

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