Spaziergänge

City West: Einfach mal treiben lassen …

Für einen Auftrag wollte ich Fotos in der Kant- und in der Meinekestraße machen. Erst marschierte ich stramm drauflos, aber dann blieb ich immer öfter stehen und fotografierte irgendwas, das mich in dem Moment faszinierte. Irgendwann dachte ich mir: ach, scheiss drauf, die Arbeit läuft schon nicht weg – ich schlendere jetzt hier rum. Hier darum ein paar Eindrücke und Entdeckungen von meinem Spaziergang durch die City West rund um Ku’damm und Bahnhof Zoo.

Fassaden bewundern

Das erste Gebäude, das meinen Stechschritt unterbrach, steht in der Grolmannstr. 22/33. Die Malerei an der Fassade fesselte mich sofort. Ein Mann im langen Mantel mit Maske und Melone, gleich mehrmals in verschiedenen Größen. Dazu der Schriftzug „Hommage à Magritte“ – was sich dahinter wohl verbirgt?

Spaziergang City West
Hommage à Magritte

Die Tür stand offen, also bin ich rein und sah, dass sich in der ersten Etage ein Hotel befindet. Das wurde ganz im Geiste eines belgischen Malers des Surrealismus gestaltet – nicht nur die Hauswand, sondern wohl auch die Zimmer und der Speisesaal. Der Maler, ihr ahnt es, heißt Magritte. René Magritte (1898 – 1967), auf dessen Bildern tatsächlich oft ein Mann ohne Gesicht mit Hut zu sehen ist. Das Treppenhaus gefällt mir auch sofort, vor allem wegen der alten Pförtnertür direkt neben dem Eingang.

Mit griffbereiter Kamera lief ich wie Hanns Guck-in-die-Luft weiter. Zum Glück herrschte dort an dem Mittag kein Trubel. Als ich auf den Ku’damm einbog, änderte sich das natürlich. Aber ich ließ die Hektik an mir abprallen und hoffte einfach, dass mich niemand umrennt.

Was besonders Spannendes hab ich am Kurfürstendamm 220 entdeckt: die Gedenktafel für Rahel Hirsch (1870 – 1953). Die Medizinerin gehört zu den großen Vorreiterinnen Berlins in Sachen Emanzipation und Selbstbestimmung. Eine herausragende Frau, die wie so viele große Geister das Land auf der Flucht vor den Nazis verlassen musste.

Gedenktafel Rahel Hirsch
Gedenktafel Rahel Hirsch

Meinekestraße

Wenn ihr links das altehrwürdige Hotel Zoo und vor euch das Hard Rock Café seht, dann geht es rechts in die Meinekestraße, wo auch gefühlt an jedem zweiten Haus eine Gedenktafel hängt. Also Augen auf!

Besonders gefreut habe ich mich über die Entdeckung des Geburtshauses von Irmgard Keun (1905 – 1982). Die Schriftstellerin steht schon lange auf meiner Liste von Berlinerinnen über die ich gerne viel mehr wissen möchte …

Gedenktafel Irmgard Keun

Zufällig schloss gerade jemand die Tür auf und ich konnte schnell hinterher huschen. Auch ein wirklich imposanter Hauseingang. Hier geboren zu werden, war damals vermutlich ein ganz guter Start ins Leben.

Eine echt schöne Straße und vermutlich würde jede einzelne Querstraße des Ku’damms eine Erkundungstour lohnen. Am Hotel Henri (mein eigentliches Ziel) angekommen, schoss ich noch ein paar Fotos und drehte wieder um.

Spaziergang City West
Eingang Hotel Henri

Das volle Touriprogramm der City West

Noch ein Stück den Ku’damm runter steht das Kranzler Eck, gekrönt vom gleichnamigen Café. Wo früher ältere Damen Törtchen gegessen haben, befindet sich heute eine Kaffeehauskette. Da ich ohnehin schon wie ein Touri unterwegs war, wollte ich das auch gleich noch mitnehmen …

Spaziergang City West
Café Kranzler

Die Optik des Schriftzuges und der typischen rot-weißen Markise wurde beibehalten, so hat das Ganze trotz allem noch etwas Charme. Als ich eintrat dachte ich mir, dass ich bei der Gelegenheit gleich Bohnen mitnehmen könnte – in Berlin geröstet. Ich unterstützte wirklich gerne Manufakturen, die in Berlin produzieren und zahle dafür auch etwas mehr. Aber jetzt mal ehrlich: 60 Euro für 1 Kilo Kaffee? Das ist doch wohl auch in der schicken City West ein bisschen übertrieben. Leicht geschockt schoss ich noch ein paar Bilder und verdrückte mich unauffällig wieder. Was eine Tasse gekostet hätte, hab ich vor Schreck gar nicht geschaut.

Ausblick vom ehemaligen Café Kranzler

Wenn ihr das Gebäude nach hinten raus verlasst, steht ihr im Hof des Kranzler Ecks, wo sich in zwei pyramidenförmigen Volieren unzählige Finken tummeln.

Kranzler Eck

Theater des Westens

Raus aus dem Kranzler Eck am Ausgang Kantstraße, seht ihr auf der anderen Seite direkt das Theater des Westens, das seit einigen Jahren eine reine Musicalbühne ist und jetzt genau genommen „Stage Theater des Westens“ heißt. In den Jahren 1895/1896 im prunkvollen Stil des wilhelminischen Historismus erbaut, freue ich mich tatsächlich immer, wenn ich es beim Vorbeifahren mit der S-Bahn sehe. Ich steh einfach total auf solche Gebäude. Gerade wird dort offensichtlich „Romeo und Julia“ aufgeführt.

Hattet ihr jemals die Muße, es von allen Seiten genauer anzuschauen? Wenn nicht, dann wird es Zeit. Hier noch eine Frauen-Gedenktafel-Entdeckung, die ich dabei gemacht habe:

Spaziergang City West: Gedenktafel Trude Hesterberg
Gedenktafel Trude Hesterberg

Daneben steht außerdem noch der alte Delphi Filmpalast und was dahinter wie eine mittelalterlich Burg aussieht, gehört zum Theater. Wenn ihr dort ein bisschen rumlungert, bekommt ihr vielleicht wie ich eine Probe zu hören. Vielleicht war es ja sogar Yasmina Hempel, die Julia-Darstellerin.

Vorbei am neueren Kino Delphi Lux, kommt ihr am Amerikahaus von 1956/57 raus, in dem sich heute das C/O Berlin der Fotografie widmet. Architektur der 50er und 60er Jahre kann ich deutlich weniger abgewinnen als alten Prunkbauten. Aber Geschmacksache. Ein Stadtführer sagte tatsächlich mal bei einer Tour: „scheußlicher Jugendstil“! Tzzzz! Apropos Jugendstil – nur wenige Schritte von hier entfernt steht das Hotel am Steinplatz mit seiner außergewöhnlichen Fassade aus dem Jahr 1906.

Spaziergang City West: C/O Berlin
C/O Berlin

Spaziergang durch die City West

Von hier sehr ihr schon das BIKINI Berlin und die Gedächtniskirche … aber auch den Bahnhof Zoo. Ich hab genug und fahre wieder nach Hause. Beschwingt und gut gelaunt, obwohl es leider sehr bewölkt war. Sowas sollte man öfter machen. Und falls ihr euch jetzt denkt, dass ich einfach meine Arbeit noch etwas prokrastinieren wollte, dann habt ihr natürlich recht. Dafür muss man ja aber auch echt nicht Psycholog*in sein 😛

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