Spaziergänge

Gutspark Neukladow: Jane-Austen-Flair am Stadtrand

Kladow ist als Ausflugsziel nicht gerade ein Geheimtipp. Stündlich spuckt die BVG-Fähre F10 über den Wannsee Massen an Ausflüglern aus, die dann direkt dort die Biergärten bevölkern. Für Familien ist natürlich der riesige Räuberland Abenteuerspielplatz das Ziel. Weniger bekannt ist der nahe Gutspark Neukladow, der seit einigen Jahren aus seinem Dornröschenschlaf erweckt wird.

Rund um den Fähranleger Kladow

Selbst an einem Dienstagvormittag ist am Hafen in Kladow einiges los. Verglichen mit Sommerwochenenden könnte man allerdings auch von gähnender Leere sprechen. Umso mehr Vögel kommen von der geschützten Flussinsel Imchen rüber, um nach Futter zu suchen. Scheu haben hier lebende Tiere offensichtlich keine.

Der Hafen ist ziemlich rausgeputzt und gepflegt und das Geschnatter und Gezwitscher gefällt mir ganz gut. Allerdings gibt es hier keinen Schatten und die Sonne knallte schon unerbittlich. Aber ich wollte ja sowieso woanders hin. Mit dem Hafen im Rücken folgt ihr einfach dem Weg nach rechts.

Kladow mit Blick auf die Insel Imchen
Blick auf die Insel Imchen
Buddy Bear am Kladower Hafen

Allee zum Gutspark Neukladow

Schon nach wenigen Minuten kommt ihr an das Tor des Parks und dahinter geht es direkt in eine schattige Allee. Der Weg ist leicht ansteigend und eröffnet euch schon bald weite Blicke über die Havel.

Allee im Gutspark Neukladow
Allee im Gutspark Neukladow

Gerne würde ich sagen, dass am Ende der Allee direkt das hübsche Gutshaus vor euch auftaucht – leider kommt man von hinten ran und ihr trefft dort erstmal auf ein verfallenes Nebengebäude und die Mülltonnen. Egal, biegt einfach ab zum Wasser und den noch sehr jungen Obstbäumen und geht von dort auf die Sehenswürdigkeit zu.

Im Gegensatz zum Hafen ist hier alles sehr naturbelassen. Über die Wildblumen freuen sich Hummeln, Bienen und alle möglichen anderen Tierchen vermutlich ebenso wie über die überdimensionalen Insektenhotels.

Schlösschen mit Gastro

Vom Obstgarten führt eine verwitterte Treppe nach oben. Hier erwartet euch der Anblick, den ich mir am Ende der Allee erhofft hatte: das gelbe Schlösschen taucht nach und nach vor euch auf. Erbaut wurde es im Jahr 1800 und diente zweitweise Bismarcks Mutter – Wilhelmine Luise Mencken – als Wohnhaus. Direkt über dem Eingang gibt es auch eine Gedenktafel für sie.

Gutshaus Neukladow

Sein Stil wird der Gilly-Schule zugerechnet – liest man jedenfalls in sämtlichen Beschreibungen des Gutshauses. Als ob das selbsterklärend sei! Es geht dabei um den Architekten David Gilly (1748 – 1808) und wenn ich mir die Liste seiner Bauwerke in und um Berlin ansehe, sollte man ihn vielleicht tatsächlich kennen. Er wirkte jedenfalls zur Zeit des Klassizismus. Sein jung verstorbener Sohn David Friedrich Gilly (1772 – 1800) gilt wohl unter Kennern als der erste moderne Architekt und verband Klassizismus mit französischer Revolutionsarchitektur. Und jetzt kommt der Aahhhh-Moment: dieser Sohn unterrichtete eine Zeit lang den damals 17-jährigen Karl Friedrich Schinkel.

Gutshaus und Gutspark Neukladow
Gutshaus Neukladow

Ehemaliger Musenhof

Im frühen 20. Jahrhundert galt der Park als Musenhof. Hier ließen sich unter anderem der Maler Max Slevogt und der Schriftsteller Gerhart Hauptmann inspirieren. Leider nicht mehr erhalten sind die acht Tierskulpturen aus dieser Zeit von August Gaul, den ich dank der Talking Statues inzwischen als Schöpfer der Löwenfigur auf der Museumsinsel kenne. Irgendwo im Park gibt es zudem einen von ihm gestalteten Gedenkstein, ich hab ihn allerdings nicht entdeckt.

Vor 2006 war das hier wohl alles ziemlich verfallen. Danach wurde das Anwesen ehrenamtlich renoviert und inzwischen wird es auch kulturell genutzt. Die Guthmann Akademie, die sich außeruniversitär der Berliner Kunst- und Kulturgeschichte widmet, veranstaltet hier Lesungen und Ausstellungen. Außerdem gibt es in dem Gebäude ein süßes Café, in dem schwarz-weiße Fotografien ziemlich schief an der Wand hängen. Zwei Freundinnen von mir würde das völlig irre machen, ich finde es ein bisschen charmant. Genau wie die Maler, die hier und da in aller Seelenruhe irgendwo stehen wie vor über 100 Jahren. In Kombination mit einem Grüppchen von Frauen in weißen Kleidern im hohen Gras, komme ich mir vor wie in einem etwas kitschigen Jane-Austen-Film.

Maler im Gutspark Neukladow
Maler im Gutspark

Spaziergang entlang der Havel

Am Ende des Parks angekommen, zeigt mir ein Schild, dass es noch 4 Kilometer bis Gatow sind. Ich frage einen sympathischen Spaziergänger, der mich freundlich grüßt, ob da irgendwo Öffis sind entlang des Weges oder ob ich da ins Nichts gehe. Er lächelt. „Kommt drauf an, wie lange du laufen willst“. Aber als er mir vorschwärmt, wie schön man da am Wasser entlang kann, bin ich überzeugt.

Havelufer im Gutspark Neukladow
Havelufer im Gutspark Neukladow

Der Weg führt vor allem vorbei an Kleingärten und immer wieder trifft man auf die berühmten Havelstrände. Als ich eine Anwohnerin frage, ob es hier immer so schön leer ist, sagt ihr mürrischer Blick schon alles. Am Wochenende ist wohl die Hölle los. Ok, die Frage hätte ich mir auch selbst beantworten können, sorry! Spätestens nachdem ich an etlichen Bäumen kleine Schildchen mit dem Hinweis „Pilgerweg Spandau“ entdeckt hatte. Samstags und sonntags pilgern hier also wortwörtlich Scharen entlang.

Wenn ihr rechts am anderen Ufer den Grunewaldturm seht, habt ihr es fast geschafft. Die Promenade endet und ihr biegt nach links auf einen von Gemüsebeeten gesäumten Weg, der auf den Kladower Damm trifft. Dort gibt es direkt eine Bushaltestelle.

Ausflug in den Gutspark Neukladow – Fazit

Wer mal ein bisschen raus will aus der City, der macht mit dem Ausflug definitiv alles richtig. Vor allem in Kombination mit der Fährfahrt über den Wannsee. Beim nächsten Mal werde ich auf jeden Fall Badesachen mitbringen. Vielleicht habt ihr ja mal unter der Woche Zeit, dann lohnt es sich besonders. Wenn ihr vom Fähranleger in die andere Richtung lauft, trefft ihr übrigens auf eine Villa, in der schon Hans Albers und Goebbels lebten. Aber das ist eine andere Geschichte …

Euch gefallen alte Anwesen? Dann schaut doch auch mal auf dem Gutshof Britz oder im Gründerzeitmuseum in Mahlsdorf vorbei.

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