Theater des Westens: Musicalbühne mit Geschichte
Viele Berliner Bühnen bieten regelmäßige Führungen an, das Theater des Westens gehört leider nicht dazu. Umso mehr hatte ich mich gefreut, dass ich einen der begehrten Plätze zum Tag des offenen Denkmals ergattern konnte. Geleitet wurde der Rundgang von Thimo Butzmann, der seit über 30 Jahren am Theater des Westens arbeitet und schon etliche Bücher über das Schauspielhaus veröffentlicht hat. Start war draußen an den Figuren von Charlotte und Berolina.
Die „Wilde Bühne“
Bevor es nach drinnen ging, machten wir einen Stopp an einem eher unscheinbaren Gebäudeteil – wo heute die Theatertechniker ihren Aufenthaltsraum haben, befand sich zwischen 1921 und 1923 die „Wilde Bühne“. Das Kabarett wurde von der Sängerin Trude Hesterberg eröffnet und kein Geringerer als Bertolt Brecht gab hier sein eher wenig erfolgreiches Bühnendebüt. Aber auch andere große Namen tauchen im Zusammenhang mit der Bühne auf: Tucholsky, Klabund, Ringelnatz und viele weitere.
Mit ein paar Infos über die Delphi-Terrassen, die wie auch das Theater des Westens vom Architekten Bernhard Sehring entworfen wurden, schritten wir die sogenannte Kaisertreppe hinauf. Warum die Treppe so heißt, ist unbekannt.
Foyer und Zuschauerraum
Im Lauf seiner Geschichte hatte das Haus bereits einige Namen. Derzeit nennt es sich „Stage Theater des Westens“, denn es wird von „Stage Entertainment“ betrieben, die vor allem Musicals auf die Beine stellen. Das Foyer wurde von denen teilweise neu gestaltet, die Kronleuchter beispielsweise sind keine Originale.
Einige Skulpturen sind allerdings Originale, die den Zweiten Weltkrieg überstanden haben. Jede davon hat ihre eigene Geschichte, die mit dem gewitzten Architekten zu tun hat. Der war nämlich chronisch pleite und hat sich immer Neues einfallen lassen, um sein Theater zu realisieren und zu betreiben. Die Skulpturen ließ er sich als Bezahlung von Künstler*innen anfertigen, die in seinem Ateliershaus in der Fasanenstraße 13 lebten oder arbeiteten und ihre Miete nicht zahlen konnten. Über Sehrings findige Machenschaften gab es während der Führung noch etliche Anekdoten, die wir uns gemütlich sitzend im Zuschauerraum anhören durften. Und mehr. Huterlass, Trampelloge – bei solchen Führungen erfährt man immer 1.000 Dinge, die man noch nicht wusste!
Auf der Bühne
Zwar gab es auch schon viele Storys über die Stars, die hier im Lauf der Zeit aufgetreten sind, als wir auf der Bühne standen, ging es dann aber so richtig los mit Klatsch und Tratsch. Vor allem über Marika Rökk lästert Butzmann nach eigener Aussage immer gerne – dabei parodierte er auch gleich noch ihren Akzent. Sie Tänzerin kaufte sich vor Auftritten wohl immer selbst Blumen, die ihr dann eine Garderobenfrau überreichen musste. Außerdem verbannte sie allzu hübsche Tänzerinnen immer ganz nach hinten.
Und auch Roman Polanski bekam sein Fett weg. Redet wohl nicht mit jedem, außerdem musste der Zuschauerraum für die Lizenz von „Tanz der Vampire“ umgestaltet werden. Das Polanski-Werk darf nämlich nur aufgeführt werden, wo es mindestens 1.600 Zuschauerplätze gibt, also wurde ein bisschen nachverdichtet.
Ein bisschen traurig fand ich ja die Geschichte der Kaiserloge. Obwohl Sehring wohl etlich Bittbriefe schrieb, würdigte der Kaiser das Theater nicht mit einem einzigen Besuch. Sein Ehrenplatz, der nicht Richtung Bühne, sondern Richtung Zuschauer gerichtet ist, blieb also immer leer.
Ich bin auf Bühnen immer wieder fasziniert, wie riesig das da alles ist und welche Massen an Technik dort vorhanden sind. Aus dem Publikum wirkt das alles viel viel kleiner. Im Moment läuft übrigens „Ku’damm 59“. Ich gebe zu, dass ich die komplette Ku’damm-Reihe bisher nicht kenne. Weder als Serie noch als Musical.
Und manchmal entdeckt man auch echt süße Kleinigkeiten wie dieses Schild mit der charmanten Grammatikkorrektur.
Ausblick vom Dach
Ein tolles Extra der Führung war auch der Gang auf das Dach. Von dort sieht man eindrucksvoll, wie wenige Bauwerke in der Gegend den Zweiten Weltkrieg überstanden haben. Außer der Gedächtniskirche stehen hier vor allem neuere Bauten. Auch das Theater des Westens, errichtet zwischen 1895 und 1897, stand schon mal kurz vor dem Abriss, wurde zum Glück aber doch noch gerettet.
Theater des Westens – Termin vormerken
Einblicke in geschichtsträchtige Häuser und Bühnen sind immer cool. Wenn man dann noch von einem solchen Kenner voller Leidenschaft durchgeführt wird, ist es umso toller. Thimo Butzmann hat eine ganze Reihe von Büchern über das Theater geschrieben und ich denke, dass sie alle sehr lesenswert sind. Die Führungen finden zwar nicht regelmäßig statt, aber immer mal wieder. Der nächste Termin ist am 13.10.24, ansonsten merkt euch einfach schon mal den Tag des offenen Denkmals 2025 vor: 13. und 14. September. Es wurden übrigens auch Sonderwünsche erfragt und erfüllt. Beispielsweise wurde der Eiserne Vorhang heruntergelassen. Der klingelt dabei, damit niemand aus Versehen drunter steht.
Dieses Jahr war ich am Tag des offenen Denkmal außerdem im Palais am Festungsgraben. Wo ihr regelmäßig an ähnlichen Führungen teilnehmen könnt, erfahrt ihr in meinem Blog „Berliner Bühnen – hinter den Kulissen“.