Kultur & Geschichte

Hotel am Steinplatz – (1)11 Jahre Geschichte

Es gehört zu den wenigen Berliner Traditionshotels, die heute noch bzw. wieder als Hotels genutzt werden – das Hotel am Steinplatz mit seiner markanten Jugendstilfassade hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Und diese begegnet Gästen noch heute überall im Haus, auch wenn es inzwischen nicht mehr in Familienhand ist, sondern von der Kette Marriott International als eines ihrer ganz besonderen Hotels der Autograph Collection betrieben wird. Die Zeitreise beginnt 1906 ein paar Jahre vor der Hoteleröffnung.

Hotel am Steinplatz – Fassade
Die unverwechselbare Jugendstilfassade des Hotel am Steinplatz

August Endell – Designer & Architekt

Erbaut wurde das außergewöhnliche Haus in den Jahren 1906 bis 1907 und hinter dem extravaganten Design würde wohl niemand vermuten, dass es nicht als Hotel, sondern tatsächlich als Wohnhaus errichtet wurde. Allerdings galt die Gegend des damals noch eigenständigen Charlottenburgs als besonders vornehm und August Endell (1871 – 1925) entwarf nicht einfach ein Mietshaus, sondern einen Hort hochherrschaftlichen Wohnens. Vor allem sein Formenreichtum, der frei erfundene mit klassizistischen, maurischen und gotischen Elementen kombiniert, ist einzigartig und nur wenige vergleichbare Jugendstilbauten sind heute noch erhalten.

Das Hotel ist übrigens nicht das einzige Werk Endells, das ihr noch in Berlin bewundern könnt. Deutlich berühmter ist der sogenannte Endellsche Hof mit seinen bunten Kacheln, besser bekannt als Hof 1 der Hackeschen Höfe in Mitte. Dort sind heute unter anderem das Kino Hackesche Höfe und das Chamäleon Theater untergebracht.

Anfänge als Hotel

Mitte des 19. Jahrhunderts schossen in Berlin immer mehr Hotels aus dem Boden, auch viele besonders luxuriöse. In den folgenden Jahrzehnten entstanden der Kaiserhof, das Adlon, das Excelsior, das Grand Hotel de Rome, das Esplanade, das Hotel am Zoo, das Savoy Hotel und viele weitere. Der Geschäftsmann Max Zellermayer fasste den Plan, dieser Liste in Charlottenburg ein weiteres hinzuzufügen.

Hotel am Steinplatz – Max Zellermayer
Bild des Hotelgründers aus dem Gästebuch der Familie Zellermayer

Er entschied sich für das von Endell entworfene Haus, das zwischenzeitlich als Kaiserliches Offizierskasino genutzt worden war, begann 1913 mit den Umbauarbeiten und einem Pensionsbetrieb unter Leitung Rudolf Sendigs. Nachdem der Sohn des Pächters im Ersten Weltkrieg gefallen war und der Vater von seinem Vertrag zurücktreten wollte, entschloss sich Zellermayer, das Hotel selbst zu führen und zog 1916 zudem mit seiner Familie ein – die Neueröffnung unter seiner Leitung fiel somit mitten in die Kriegswirren. Dennoch konnte sich das Hotel schnell einen Namen machen und beherbergte in den 1920er Jahren vor allem russische Adelsfamilien.

Die Historie des Hotels ist heute präsent wie nie

Gossip Teil 1

In dem von der Tochter des Hotelgründers, Ilse Eliza Zeller Zellermeyer, veröffentlichten Buch „Prinsessinnensuite. Mein Jahrhundert im Hotel“ widmet sich diese gleich in mehreren Kapiteln einigen der illustren Gäste des Hauses und auch überall im Hotel könnt ihr sehen, wer hier gerne zu Gast war – unter anderen sind die Räume des Spabereichs nach weiblichen Ikonen benannt.

Es sind zu viele tolle Anekdoten, um sie hier alle aufzuschreiben, aber einige will ich euch natürlich nicht vorenthalten. Als großer Filmfan gefiel mir die Story über die umstrittene Drehbuchautorin Thea von Harbou, die vor der Machtergreifung mit dem legendären Regisseur Fritz Lang verheiratet war, und für viele seiner Werke wie „Metropolis“ die Vorlage schrieb. Laut Zellermeyer soll sie die meisten der Drehbücher im Hotel am Steinplatz verfasst und sich dafür oft monatelang einquartiert haben: „Scherzend sagte sie zu mir, sie ginge schwanger mit einem neuen Drehbuch, und bis dieses Kind als Film zur Welt käme, müsse sie im Bett bleiben und es austragen“. Selbst ihre Mahlzeiten soll sie in diesen Phasen in ihrem Bett eingenommen haben. Harbou trat 1940 der NSDAP bei und wirkte an vielen Propagandaprojekten mit. Darf man das Gesamtwerk einer Künstlerin unabhängig davon würdigen? Thea von Harbou hat in Berlin jedenfalls einen Stern und ein Ehrengrab.

NS-Zeit und Zweiter Weltkrieg

„Für unsere Familie veränderte sich mit dem Nationalsozialismus unerwartet das ganze Dasein“, erinnert sich Zellermayer in ihrem Buch. Die Kinder wurden zwar protestantisch getauft und erzogen, Max Zellermayers Mutter war jedoch Jüdin, was 1933 zu einer Vorladung durch die Gestapo führte. Die Aufregung durch die Befragung führte bei dem Hotelier wohl zu einem Gehirnschlag, an dem er 3 Tage später verstarb. Seine erst 36 Jahre alte Witwe Erna übernahm daraufhin ehrgeizig die Leitung.

Nachdem ein großer Teil der Stammgäste des polnischen und russischen Hochadels ausblieb, nahm Erna Zellermayer einige Umbauten vor, sodass mehr Zimmer zur Verfügung standen. „Das Haus war weiterhin gut besucht, aber viel von dem Charme und der gewissen Intimität war verflogen“. International ging es nur während der Olympischen Spiele 1936 im Hotel wieder zu. Damals wohnte unter anderem das amerikanische Team der Dressur- und Springreiter am Steinplatz. Und auch während des Zweiten Weltkrieges konnte der Betrieb zeitweise aufrechterhalten werden, wenn auch mit Improvisation. Auf dem Dach wurden Tomaten angepflanzt und im Innenhof hielt man Ziegen.

1945 war das Hotel am Steinplatz zwar nicht komplett ausgebombt, aber dennoch stark zertrümmert. An einen Hotelbetrieb war erstmal nicht zu denken. Dennoch eröffnete der Sohn des Hotelgründers, Heinz Zellermayer, bereits am 16. Juli 1945 in zwei Räumen des einstigen Luxushotels das Restaurant Zellermayer. Die Lebensmittel stammten vom Schwarzmarkt, aber auch die Ziege Beate trug einen Teil zum Erfolg bei, denn ihre Zicklein wurden gegen benötigte Waren eingetauscht.

Nachkriegszeit im Hotel am Steinplatz

Nachkriegsjahre und die „Volle Pulle“

1947 konnte dann auch der Hotelbetrieb wieder aufgenommen werden und schnell verkehrte in dem Haus wieder ein interessanter Kreis aus Schauspieler*innen, Musiker*innen und Schriftsteller*innen. „Das Hotel am Steinplatz war eines der wenigen Häuser in Berlin, die an die Lebensart aus der Zeit der Weimarer Republik anknüpfen konnten“, erinnert sich Ilse Zellermayer im Kapitel „Stunde Null“. Viele der damaligen Gäste verewigten sich an der nicht mehr erhaltenen Berühmtheitenwand im Hotel.

Hotel am Steinplatz – Berühmtheitenwand
Die Berühmtheitenwand auf einem Bild aus dem Gästebuch der Zellermayers

Zur damaligen Zeit herrschte in Berlin übrigens Sperrstunde. Nun war Heinz Zellermayer nicht nur Hotelier, sondern auch Gründungsvorstand des Berliner Gaststättenverbands und Politiker. Ihm ist es zu verdanken, dass diese 1949 für den Westsektor der Stadt abgeschafft wurde. Einen tollen Artikel über die Kulturgeschichte der Sperrstunde findet ihr im Tip. Dort heißt es: „Heinz Zellermayer übrigens sollte die von ihm wegargumentierte Sperrstunde zu einer legendären Trinkstätte nutzen. In seinem Hotel am Steinplatz eröffnete er in den 1950er-Jahre die Künstler- und Prominentenkneipe „Volle Pulle“, das, nun ja, Berghain der Wirtschaftswunderjahre“. Genau wie heute im Berghain waren drinnen Fotos streng verboten, weswegen Bilder auch wirklich ungemein rar sind.

Hotel am Steinplatz – Volle Pulle
Alte Zeitungsartikel über die Volle Pulle

Markenzeichen der 1950 eröffneten In-Location war das dunkelbraune, 3 Meter hohe Holzfass der Schultheißbrauerei, das als Eingangstür diente und quasi direkt in die Fassade hineingeschoben wurde. Drinnen sind vor allem die schaukelartigen Sitze legendär. Begegnen konnte man dort Größen wie Heinrich Böll, Artur Brauner, Günter Grass und Erich Maria Remarque. „Sehr oft kam auch Harald Juhnke vorbei und unterhielt die Volle Pulle mit charmanten Geschichten“. 1972 schloss die einst so angesagte Kneipe.

Gossip Teil 2

Auch Magda und Romy Schneider gehörten zu den berühmten Gästen des Hauses. Liest man Artikel über das Hotel, scheint sich vor allem ein Streit auf der Straße zwischen Romy und Alain Delon ins Gedächtnis gebrannt zu haben. Die sollen sich derartig gefetzt haben, dass es der komplette Steinplatz mitbekam. Im Kapitel „Diskret – indiskret II“ findet sich allerdings noch eine viel spannendere Story, die tatsächlich das Ende von Romy Schneider als Stammgast des Hotels am Steinplatz bedeutete. Nach einer Gala erschien diese wohl mit einem Schauspieler, den sie mit auf ihr Zimmer nehmen wollte, was der Nachtportier mit Verweis auf die Sitten des Hauses untersagte. Es kam zu einer Rauferei zwischen ihm und der Schauspielerin, bei der sogar das Eingangsportal zu Bruch ging, woraufhin der Star wütend davonrauschte und der arme Angestellte im Krankenhaus behandelt werden musste. Das ist mal so gar nicht sisi-like!

Zwischennutzung und Neueröffnung

1963 wurde das 50-jährige Jubiläum des Hotels groß gefeiert, doch bereits 1961 hatte mit dem Bau der Mauer der schleichende Niedergang eingesetzt. Nachdem es geschlossen wurde, diente es ab 1973 bis 2006 als Seniorenheim und stand anschließend bis 2010 leer. Nach einer dreijährigen Renovierungsphase wurde es 2013, genau 100 Jahre nach seiner ersten Eröffnung, wiederbelebt und gehört jetzt zur Hotelkette Marriott. Das mit 5 Sternen ausgezeichnete Hotel verfügt über 68 Zimmer und 19 Suiten. Auf dem Dach wurde zudem noch ein Aufbau für den Spabereich ergänzt.

Hotel am Steinplatz – Spa

Geschichte im Hotel am Steinplatz

Auch wenn das Hotel am Steinplatz kein Familienunternehmen mehr ist, atmet es doch Geschichte. Bei der Neugestaltung wurde viel Wert darauf gelegt, an die Historie des Hauses zu erinnern – sei es durch Jugendstilelemente wie die allgegenwärtigen knallroten Mohnblumen aus Stoff oder durch alte Fotos.

Hotel am Steinplatz – Restaurant
Im Restaurant

Besonders gelungen finde ich zudem die Kunstwerke in den Gängen mit Collagen aus alten schwarz-weiß Fotos und nachcolorierten Titelbildern von Zeitschriften aus den 1920er Jahren.

Hotel am Steinplatz – Kunst

Gäste können sich außerdem bei einer historischen Tour auf die Spuren der Geschichte des Hauses machen. An der Rezeption kann man sich hierfür einen Plan geben lassen, wo sich die einzelnen QR-Codes befinden, die Spannendes über das Hotel am Steinplatz offenbaren.

Hotel am Steinplatz – Historic Tour
Historische Hausführung für Gäste

Bilder der Zimmer könnt ihr euch auf der Homepage des Hotels ansehen. Und wer jetzt so richtig auf den Geschmack gekommen ist und noch viel mehr wissen möchte, dem kann ich das Buch „Prinzessinnensuite“ ans Herz legen, aus dem ich im Text mehrfach zitiert habe. Fun Fact: Ich habe das Buch während meines Praktikums beim Aufbau Verlag im Lektorat Sachbuch 2009 zufällig Korrektur gelesen.

(Der Artikel entstand in Zusammenarbeit mit dem Hotel am Steinplatz, das mich unter anderem das Gästebuch der Familie Zellermayer nutzen ließ.)

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