Das Adlon: Morde, Stars und geiler Kaffee
Ich bin ein großer Fan von Historien-TV-Produktionen. Wenn sie, wie „Charité“ oder „Das Adlon“, auch noch in Berlin spielen – umso besser. Die beiden haben es mir übrigens ganz besonders angetan und während ich in der berühmten Klinik selbst schon lag, war ich in meinen 23 Jahren in der Hauptstadt noch nie im wohl geschichtsträchtigsten Hotel Berlins. Das wollte ich ändern. Und da das Adlon gerade mehrere Jubiläen feiert, bot sich ein Besuch besonders an.
Wie alles begann
Lorenz Adlon (1849 – 1921) besaß mehrere florierende Kaffeehäuser und Restaurants und konnte mit dem erwirtschafteten Geld das luxuriöse Hotel am Pariser Platz planen. Für den Bau wurde das von Schinkel entworfene Palais Redern abgetragen, was allerdings zu einigen Protesten in der Bevölkerung führte. Ein Couplet aus dieser Zeit zeigt die Meinung, die viele zu dem neuen Prunkbau hatten:
„Französisch die Karte, nach der man serviert
Aus England die Möbel, ganz frisch importiert
Das Orchester aus Ungarn, die Kellnerin aus Wien
So schwindest du hin, mein altes Berlin!“
Allerdings konnte Adlon Kaiser Wilhelm II. höchstpersönlich für sein Vorhaben gewinnen und so entstand das monumentale Hotel, das 1907 eröffnete. Ein wichtiges Jahr für Berlin, denn auch das Traditionskaufhaus KaDeWe und das Strandbad Wannsee entstanden zu dieser Zeit. Letzteres ebenfalls nur unter Protest. In diesem Fall allerdings der reichen Anwohner wie dem Maler Max Liebermann, die den Berliner Pöbel lieber nicht an ihrem Idyll haben wollten.
Alle diese Wahrzeichen der Hauptstadt feiern 2022 somit ihr 115. Jubiläum. Das Adlon zelebriert dieses Jahr zudem 25 Jahre seit seiner Wiedereröffnung sowie 125 Jahre Kempinski, denn das Hotel ist schon lange kein Familienbetrieb mehr.
Prächtige Ausstattung
Der Bauherr hatte bei der Ausstattung an nichts gespart – es gab im Adlon so ziemlich alles, was damals möglich war: fließendes, warmes Wasser, Elektrizität, Fahrstühle … außerdem italienischen Marmor, prächtige Deckengemälde und Mahagoni aus Kuba. Ein Aufenthalt dort soll so komfortabel gewesen sein, dass der Kaiser seine Staatsgäste nicht mehr in seinem Schloss beherbergte, sondern im Adlon unterbrachte.
Mit 20 Millionen Mark waren die Kosten des Baus allerdings auch echt aberwitzig! Der Berliner Dom, der 2 Jahre vorher fertiggestellt wurde, hatte nur etwas mehr als die Hälfte davon gekostet. Aber die Rechnung ging auf! Nicht nur der Hochadel Europas tummelte sich in dem Hotel in Mitte – auch große Stars gingen in den nächsten Jahrzehnten hier ein und aus.
Attentat und Morde
Zu jedem Hotel mit langer Geschichte gehören auch ein paar Verbrechen. Eines, das sich im Adlon abspielte, findet ihr in so ziemlich jedem Berlin-Crime-Buch: den Mord an einem Geldbriefträger. Über Silvester 1918/1919 war ein Baron Hans von Winterfeldt aus Hamburg, den keiner kannte, im Hotel abgestiegen. Zu eben diesem wollte am 2. Januar der Geldbriefträger Oskar Lange. Im Gepäck hatte er wohl satte 278.000 Mark. Als er nicht zu seiner Arbeitsstelle zurückkam, suchte die Polizei nach ihm und fand ihn erdrosselt im Zimmer des vermeintlichen Blaublüters. Außerdem auf dem Zimmer zurückgelassen: ein leerer Schrankkoffer. Der Mord blieb mysteriös und ungeklärt, das Hotelzimmer wurde komplett renoviert und neu eingerichtet. Ein versuchtes, ähnliches Verbrechen führte allerdings ein paar Jahre später den legendären Ermittler Ernst Gennat doch noch auf die Spur des Mörders, der durch die Gegenüberstellung mit einem Portier identifiziert werden konnte.
Doch wie ich im Buch von Felix Adlon* erfahren habe, war das nicht der erste Mord im Hotel. Bereits 1913 war hier mächtig was los, als der russische Zar vor Ort war. Es wurde nicht nur ein Bombenattentat verhindert, das der überschuldete stellvertretende Hoteldirektor ausführen wollte, es wurde auch ein russischer Geheimagent ermordet. Dieser wurde dann möglichst unauffällig auf einem Pritschenwagen, bedeckt von einem Tischtuch mit Adlon-Emblem, zur russischen Botschaft geschoben. Fast zu spannend, um wahr zu sein …
Stars im Adlon
Die Liste an Stars, die im Adlon verkehrten, ist fast endlos: Thomas Mann, Mark Twain, der Opernsänger Enrico Caruso, Hans Albers, Charlie Chaplin und viele weitere. Die Schauspielerin Pola Negri, damals berühmt aus unzähligen Stummfilmen, soll mit Louis, dem Sohn des Hotelgründers, eine Affäre gehabt haben und wer weiß, was da noch so alles passierte. Es gab ja wohl die Prämisse: Was im Adlon passiert, bleibt im Adlon. Zumindest ein Skandal ist aber dennoch bis heute bekannt und für den sorgte keine Geringere als die legendäre Tänzerin Anita Berber. Die ist mal im hochgeschlossenen Nerzmantel und hochhackigen Goldschuhen in den pompösen Speisesaal marschiert, bestellte 3 Flaschen Champagner und legte dann den Mantel ab unter dem sie genau gar nichts trug. Es soll zwar einen kleinen allgemeinen Aufschrei gegeben haben, aber ansonsten passierte nichts weiter. Der Oberkellner hat ihr wohl den Pelz einfach wieder umgelegt und fertig.
Zu den illustren Stammgästen gehörte auch Emil Jannings. Der erhielt 1929 als erster deutscher Schauspieler einen Oscar und spielte an der Seite von Marlene Dietrich in Sternbergs „Der blaue Engel“ die Hauptrolle. Eigentlich war es natürlich andersrum, denn die Dietrich war bis dahin noch eher unbekannt. Ihre Rolle hat sie wohl nicht zuletzt Louis Adlon zu verdanken, der Jannings in ihre damalige Revue „Zwei Krawatten“ schickte. Im Zweiten Weltkrieg soll der Schauspieler während seiner Aufenthalte im Adlon-Bunker einen guten Teil des wertvollen Weinkellers weggepichelt haben. Naja, wer will es ihm verdenken! Spielte am Ende auch keine Rolle, denn das Adlon wurde in den letzten Kriegstagen zum Lazarett und die Kellner sollen den teuren Wein literweise ausgeschenkt haben, damit er den Feinden nicht in die Hände fallen würde. Das Hotel hatte den Krieg bis zur Kapitulation Deutschlands am 2. Mai 1945 fast unbeschadet überstanden, endete aber dennoch als Ruine. Es brannte nach seiner Besetzung bis auf einen Seitenflügel aus. Die Ursache ist nicht geklärt.
Das Adlon heute
Die Mauerrest wurden 1952 abgetragen, der übrig gebliebene Seitenflügel 1984 gesprengt. Im August 1997 eröffnete dann der Neubau, der sich historisierend an dem Vorgängerbau orientiert. Wahrscheinlich gilt das Adlon vor allem deswegen auch als eine Sehenswürdigkeit. Bevor ich reingelaufen bin, hab ich mich tatsächlich gefragt, ob man mich aufhalten würde, denn ich hatte mich nicht extra aufgebrezelt. Aber das passiert natürlich nicht, ihr dürft einfach reingehen. Ich kann es auch nur empfehlen! Während ich in der Lobby saß, fühlte ich mich ein bisschen wie auf der Titanic – das hat schon was echt Nostalgisch-Schickes!
Wem es komisch vorkommt, einfach in ein Luxushotel reinzuspazieren, der kann auch ins dazugehörige Café Adlon to go gehen. Ungelogen hab ich dort einen der besten Milchkaffees überhaupt getrunken. Die machen da die Bildchen auf dem Schaum nicht mit Schablonen, sondern mit einem Coffee Printer – was es nicht alles gibt!
Übrigens macht das Café sogar bei Too Good To Go mit. Wer dort ein paar süße Leckereien retten will, muss allerdings schnell sein. Das Angebot ist immer nach wenigen Sekunden ausverkauft. Ihr wollt mehr Hotelstorys? Dann lest hier weiter: Hotel am Steinplatz – 111 Jahre Geschichte.
*Viele Infos stammen aus: „Felix Adlon: Adlon. Ein Hotel, sechs Generationen – Die Geschichte meiner Familie, Heyne 2021″. Teilweise fand ich es ein bisschen rührselig, aber insgesamt interessant und leicht zu lesen.
5 Comments
Yvonne
Noch nie so einen guten Steckbrief gelesen. Ich wäre bereit um eine Nacht dort zu buchen.
Tina Hoffmann
Ja, ich auch. Hab mich noch nicht getraut die Preise zu checken 🙂
Werner
Und was kostete der Milchkaffee? 🙂
Tina Hoffmann
Oh, hab gar nicht geschaut, den hab ich spendiert bekommen. Aber der war so gut, den würde ich mir auch mal leisten!
Werner
Einst ein Ort von Sodom und Gomorra! Ist heute sicher auch noch so, bleibt aber unter dem glitzernden Ambiente verborgen. Möchte nicht wissen, was da alles vor sich geht … Na ja, ich werde nicht in Versuchung geraten (können) 🙂