Asta Nielsen in Berlin: Stummfilm, Hamlet und Bubikopf
Die Dänin war der große Star der Stummfilmzeit und wirkte lange auch in Deutschland. Vor genau 100 Jahren machte sie mit ihrer Rolle in „Hamlet“ den Bubikopf populär und prägte wie kaum eine andere das Bild der Neuen Frau in den Goldenen Zwanzigern. Die Spuren von Asta Nielsen in Berlin führen vor allem nach Mitte und Charlottenburg.
Der Beginn einer großen Karriere
Der 1881 in Kopenhagen geborenen Asta gelang 1910 mit dem international hochgelobten Film „Abgründe“ der große Durchbruch. Zu dieser Zeit gab es in Deutschland kaum große Produktionen, obwohl allein in Berlin 139 Kinos das Publikum für das noch recht neue Medium begeistern wollten. 1911 erging an die Dänin ein Angebot: die Berliner Filmfirma Deutsche Bioscope mit winzigem Atelier in der Chausseestraße 123 offerierte ihr zwei Verträge. Sie bestand auf den Regisseur Urban Gad, ihren späteren Ehemann, und akzeptierte. Gemeinsam mit dem Kameramann Guido Seeber drehte das Trio in dem noch erhaltenen Gebäude in nur wenigen Wochen die Streifen „Heißes Blut“ und „Nachtfalter“.
Es folgten weitere Engagements, im März 1912 verlegte Asta Nielsen dann ihren Wohnsitz ganz nach Berlin in die Kaiserallee 203 (heute Bundesallee) in Wilmersdorf. Die Dreharbeiten zu ihren Filmen fanden nun nicht mehr in Mitte statt. Seeber suchte nach mehr Platz und stellte 1911 eine Baugenehmigung für ein Gelände am S-Bahnhof Neubabelsberg. Ihr ahnt es sicher: der Beginn der Babelsberger Filmstudios. Eingeweiht wurden diese 1912 mit dem Nielsen-Film „Der Totentanz“. Doch sie drehte auch in den Studios der Berliner Union-Film in Tempelhof. 1913 entstand dort „Suffragette“, in dem Nielsen wie so oft eine Frau spielte, die aus den damaligen gesellschaftlichen Konventionen ausbrach. Nur 2 Jahre später beendete der Erste Weltkrieg dann zunächst die Zeit des Stars in Deutschland.
Nach dem Ersten Weltkrieg
Bereits 1919 zog es die Stummfilm-Diva zurück nach Berlin, wo sie mit dem schon etablierten Regisseur Ernst Lubitsch „Rausch“ drehte. In rasantem Tempo folgten immer weitere Filme. Zu einem internationalen Kassenschlager wurde 1921 „Hamlet“. Im größten Kinoerfolg des Jahres spielte Nielsen die Hauptrolle. Zudem war sie die Produzentin des Dramas, in dem sie eine als Prinz verkleidete Prinzessin verkörperte. Ihre kurzen Haare sorgten in Deutschland für den Siegeszug des Bubikopfes bei Frauen. Andere Künstlerinnen wie Claire Waldoff allerdings trugen diesen schon weit früher.
Letzte Jahre in Berlin
Neben ihren Stummfilmen widmete sich der Star zunehmend auch dem Theater. Ihre Erfolge erlaubten es ihr, im Jahr 1931 in eine riesige Wohnung in einem noblen Gründerzeitbau nahe dem Kurfürstendamm zu ziehen.
Eben dort in der Fasanenstraße 69 in Charlottenburg befindet sich heute die Pension Funk. Wo in den 1930er Jahren Asta Nielsen Salons mit Künstlern wie Joachim Ringelnatz abhielt, könnt ihr heute in eine längst vergangene Zeit eintauchen. Einige original Möbelstücke aus der Beletagewohnung sind noch erhalten, aber auch das übrige Inventar besteht aus Antiquitäten aus der Gründerzeit und des Jugendstils. Schon das Treppenhaus ist beeindruckend.
Der Geschäftsführer Michael Pfundt leitet die Pension mit Herzblut. Er wolle zwar kein Museum aus dem Hotel machen, aber man merkt, dass er ein großer Nielsen-Fan ist. Neben Bildern und Postern der Ikone hängen auch zahlreiche gerahmte Zeitungsartikel an den Wänden. Stolz zeigte er mir eine signierte Ausgabe der Nielsen-Autobiografie im Prunkeinband und auch das Hamlet-Poster im Speisesaal ist ein Original.
Wie so viele Künstler verließ Asta Nielsen Berlin im Jahr 1937 und kehrte in ihre Heimatstadt Kopenhagen zurück. Ihre einstige Wohnung wird aber immer noch gerne von Prominenten besucht. Und auch Dreharbeiten finden laut Pfundt immer wieder hier statt.
Spuren von Asta Nielsen in Berlin
Neben den bereits genannten Orten wurde die Stummfilmdiva mit einem Stern auf dem Berliner „Boulevard der Stars“ am Potsdamer Platz geehrt. Wobei das leider inzwischen eine etwas unrühmliche Sache ist. Die Medien nennen den verfallenen Abklatsch des „Walk of Fame“ in Hollywood nur noch „Boulevard of Broken Dreams“ – naja, seht selbst:
Zudem lohnt ein Besuch der Deutschen Kinemathek. Dort findet ihr einige Bilder und Plakate des Stars sowie einen schönen Überblick über die Frühzeit der Filmstadt Berlin.
Das Filmmuseum hat vor einigen Jahren außerdem vier Filme mit Asta Nielsen rekonstruiert und auf DVD herausgebracht. „Die Suffragette“ könnt ihr euch momentan sogar bei Filmfriend – dem Streamingportal der Berliner Bibliotheken – ansehen. Ihr interessiert euch für Stars der Weimarer Republik? Hier geht es zu Fritzi Massary in Berlin, Emil Jannings oder zu Marlene Dietrich.
Lesetipps: Barbara Beuys: Asta Nielsen. Filmgenie und Neue Frau, Insel Verlag 2020 & Asta Nielsen: Im Paradies. Erzählungen, Galiani Berlin 2023. Wunderbar illustriert von Kat Menchik