Nachts in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz
Nachttheaterführung – ich war ziemlich happy, als ich das entdeckt habe. Schon lange wollte ich an einer Führung durch die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz teilnehmen, aber die Termine sind rar und von einer Nachtführung dort hatte ich noch nie gehört. Dass es das Wochenende nach Halloween war, hatte ich gar nicht auf dem Schirm, sollte sich aber als Glückstreffer herausstellen. Theatermitarbeiter Rolf Krieg, der die Führung leitete, begrüßte uns ziemlich aufgeregt. Eine Weltpremiere und er befürchtete, dass sich die Technik einiges habe einfallen lassen, er wisse selbst nicht, was passieren würde. Außerdem musste er schon seit Wochen Spott über sich ergehen lassen, weil er eine „Nacktführung“ veranstaltete. Es startete also sehr heiter und vielversprechend …
Die Kunst dem Volke
Trotz ungemütlichem Nieselregen begannen wir die Tour draußen mit einer Einführung zur Geschichte des Hauses. Auch wenn die Architektur eine unrühmliche Entstehungszeit vermuten lässt: Erbaut wurde das Theater bereits zwischen 1913 und 1914 nach den Plänen des Architekten Oskar Kaufmann (1873-1956), der in Berlin auch das Renaissance-Theater und das Hebbel-Theater entworfen hat. Über den monumentalen Säulen prangte damals der Spruch „DIE KUNST DEM VOLKE“. Ein im Kaiserreich unerhörter Affront gegen die Eliten. Die Teilhabe des Proletariats an Kultur, ein politisch orientierter Spielplan – das dürfte diesen nicht besonders geschmeckt haben!
Von 1915 bis 1918 stand die „Volksbühne Theater am Bülowplatz“ unter der Intendanz des berühmten Max Reinhardt, der hier Schauspieler wie Ernst Lubitsch und Emil Jannings auf die Bühne holte. Das Bauwerk wurde zum Ende des Zweites Weltkrieges fast komplett zerstört und zwischen 1950 und 1954 vereinfacht wieder aufgebaut. Die Steinfiguren, die oberhalb jeder Säule standen, hatten den Krieg eigentlich überstanden, verschwanden aber auf ungeklärte Weise. Krieg ist sich sicher, dass sie bis heute in Pankow in irgendeinem Garten stehen.
Vom Zuschauerraum auf die Bühne
Im Zuschauerraum gibt es keine Logen, klar. Allerdings wurde der gleiche Preis auf allen Plätzen zur Anfangszeit des Theaters von den Gästen als ungerecht empfunden, darum wurden die Sitzplätze damals vor der Vorstellung verlost. Bis heute zeichnet sich die Volksbühne durch besonders faire Preise aus (auch die Führung war mit 5 Euro sehr günstig).
Dann gab Krieg noch Einblicke in die heutige Preisgestaltung und was die drohenden Kürzungen der Subventionen (bzw. inzwischen ja leider beschlossenen) für das Haus bedeuten würden. Natürlich gab es auch einige berührende Worte über den kürzlich verstorbenen Intendanten René Pollesch und darüber, welchen Auftrag die Volksbühne hat. Die sei nicht zur Unterhaltung da, denn dafür gäbe es ja den Friedrichstadtpalast. Hihi. Oder wie es ein Bekannter von mir kürzlich ausdrückte: Las Vegas für Arme. Danach ging es auf die Bühne – mein liebster Teil bei Theaterführungen. Leider war kurz vorher der Eiserne Vorhang runtergefahren, sodass der schöne Blick von der Bühne in den Zuschauerraum verdeckt war.
Hier gab es viele Infos zu den Eigenarten der Bühne, aber davon ist wenig bei mir hängengeblieben, weil das Licht auf einmal gedämpfter wurde und eine Frau mit erschrockenen Augen an mir vorbeischaute. Man muss kein Horrorfilmfan sein, um zu wissen, dass man sich dann eigentlich lieber nicht umdrehen möchte. So schlimm war es natürlich nicht, aber ich wäre dennoch nicht gerne allein gewesen in dem Moment, denn etwas baumelte an einem Strick von der Decke auf uns zu …
Krieg hat sich scheckig gelacht – an einem Theater kann man sich an Halloween natürlich einiges einfallen lassen!
Hinter den Kulissen
Weiter ging es in die Garderoben, die auch jedem Laien sofort als besonders charmant und nostalgisch ins Auge sprangen. Obwohl sehr schlicht, sind sie dank der alten Spiegel bei Schauspieler*innen wohl sehr beliebt.
Und auch hier erwartete uns eine kleine Überraschung: Jemand hatte ein blutiges, abgetrenntes Bein für uns hier abgelegt. Unser Führungsleiter hat sich wieder kaum einbekommen, die handwerkliche Qualität des Beines bewundert und wer wollte, durfte auch mal anfassen. Mein Foto ist leider komplett verwackelt, da ich beim Knipsen in Eile war und auch lachen musste.
Weiter ging die Tour mit einem tollen Highlight: wie durften aufs Dach! Zwar war das Wetter immer noch regnerisch, trotzdem eine ungewöhnliche Aussicht. Direkt zu unseren Füßen konnten wir das wunderbare Kino Babylon bewundern, die Kugel des Fernsehturmes war komplett vernebelt.
Über den de schmalen, umlaufenden Balkon werden ansonsten täglich die großen Transparente für die jeweilige Aufführung aufgehängt. Die Rollen werden auch gleich dort unterm Dach gelagert.
Aber auch der Rest der Konstruktion ist ganz spannend. Was man dort an Seilen hängend sieht, ist nämlich die Decke im Zuschauerraum. Die silbernen Belüftungsschächte waren zu Coronazeiten entstanden.
Zum Abschluss wurden wir noch auf den Rang geführt und durch das Foyer wieder nach draußen.
Fazit Führung durch die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz
Die Führung war natürlich ein echter Volltreffer und ich freue mich immer noch, dass ich dafür eine Karte ergattern konnte! Ärgerlich nur, dass ich den Artikel nicht zeitnah geschrieben habe, dann hätte ich noch mehr Details parat gehabt, aber nehmt am besten einfach selbst teil! Ob das in der Form nochmal stattfinden wird, weiß ich nicht, aber ihr könnt ja nächstes Jahr in den Wochen vor Halloween mal danach Ausschau halten. Ansonsten gibt es tagsüber regelmäßig Führungen, die mit Sicherheit auch interessant sind. Die findet ihr im Spielplan der Volksbühne.
Lust auf mehr Führungen? Dann schaut in meine Liste: Berliner Bühnen hinter den Kulissen!