Bauhaus in Berlin: Unterwegs mit Bildband
Ich bin häufig zu Besuch in Siemensstadt, der Großsiedlung in Spandau, die Teil des UNESCO-Welterbes „Siedlungen der Berliner Moderne“ ist. Auf den ersten Blick kann ich der Architektur wenig abgewinnen. Und wenn ich „Bauhaus“ höre, dann denke ich meist an das Lemke-Haus von Mies van der Rohe am Orankesee, dessen Großartigkeit ich einfach nicht erkenne. Aber mein Wissen ist da begrenzt und darum freute ich mich sehr über den Bildband „Bauhaus in Berlin. Eine fotografische Reise durch die Klassische Moderne“ von Jean Molitor und Kaija Voss, das ich als Leseexemplar bekam.
Klassische Moderne in Berlin – die Berühmtheiten
Funktionalität, Minimalismus und geometrische Formen kennzeichnen den Bauhausstil bzw. die Klassische Moderne. Namen wie Walter Gropius, Bruno Taut, Mies van der Rohe oder Hans Scharoun sind nicht nur Architekturfans ein Begriff und der Stil hat in Berlin etliche berühmte Bauwerke und Siedlungen hervorgebracht – einige davon, wie die sogenannte Hufeisensiedlung in Britz, stehen wie gesagt unter dem Schutz der UNESCO. Etliche andere Bauten prägen das Stadtbild allerdings deutlich mehr als die UNESCO-Siedlungen: Philharmonie und Kammermusiksaal, die Volksbühne, die Neue Nationalgalerie, Café Moskau oder das Kino International sind nur einige davon.
Diese Sehenswürdigkeiten sind aber nur ein kleiner Teil von den Bauten der Klassischen Moderne, die ihr in Berlin entdecken könnt. Ich habe mir den Bildband darum wie einen Reiseführer zur Hand genommen und einige mir völlig unbekannte Bauwerke besichtigt.
Shell-Haus in Tiergarten
Was mir beim Durchblättern sofort gefiel: das Shell-Haus am Riechpietschufer 60-62 in Tiergarten. Errichtet wurde das Bürohaus 1930 bis 1932 nach Plänen von Emil Fahrenkamp und ich wusste schon von Weitem, dass ich eine gute Wahl getroffen hatte. Wellenförmig und trotzdem irgendwie aalglatt – ich war fasziniert und nicht die einzige, die zum Fotografieren stehen blieb.
Draußen am Haus gibt es ein paar Infos zur Geschichte des Bürogebäudes und als ich die Fotos von drinnen sah, dachte ich, dass es da bestimmt ein schönes Treppenhaus für meine Sammlung gibt. Die Türen waren allerdings verschlossen und als ich meine Nase an die Scheibe drückte, um ein paar Blicke zu erhaschen, schaute ich direkt auf ein Schild mit der Aufschrift: „Militärischer Sicherheitsbereich. Unbefugtes Betreten verboten! Vorsicht Schusswaffengebrauch!“ WAAAS? Ich taumelte schnell ein paar Schritte rückwärts. Schusswaffengebrauch! Ja geht’s eigentlich noch? Und tschüss, Shell-Haus … stellte sich heraus, dass dort eine Außenstelle des Bundesverteidigungsministeriums untergebracht ist. Hätte ich gewusst, wenn ich die Infos draußen bis zum Ende gelesen hätte.
Mossehaus in Mitte
Ein weiteres Haus, das mir im Buch sofort ins Auge gesprungen war: das Mossehaus in der Schützenstraße 25-32. Tatsächlich entfuhr mir ein „Wow“ als ich davor stand. Vor Ort ist es noch viel beeindruckender, als meine Bilder es vermuten lassen!
Errichtet wurde es zwischen 1900 und 1903 im Jugendstil, wurde allerdings nach seiner Beschädigung während der Spartakusaufstände 1919 von 1921 bis 1923 nach Plänen des Architekten Erich Mendelsohn umgestaltet. Dann im Stil der Neuen Sachlichkeit. Die tolle Fassade ist allerdings nicht im Original erhalten, sondern eine Rekonstruktion. Das einstige Verlagshaus ist Teil des Berliner Zeitungsviertels, das ich direkt auf meine Artikelliste gesetzt habe.
Kaufhaus Jonaß
Das monumentale Gebäude im Prenzlauer Berg ist vielleicht einigen als Soho House bekannt. Ein Edelclub, der ein dickes Bankkonto voraussetzt. Zur Zeit seiner Erbauung 1928/1929 war es allerdings ein Kaufhaus, das im Stil der Neuen Sachlichkeit von den Architekten Siegfried Friedländer und Gustav Bauer entworfen wurde.
Und hier wurde mir klar, warum die Bilder in dem Buch so unglaublich clean wirken – abgesehen davon, dass sie allesamt in schwarz-weiß gehalten sind: alles Störende wurde entfernt. Die Uhr mit der Werbung, die Infostele zur Geschichte des Gebäudes, Fahrradständer, Roller, Menschen. Dann fiel es mir auch bei anderen Bildern auf: keine Straßenlaternen, keine Stromkästen, keine Poller. Im Buch steht: „Die Bilder stellen in einer immer schneller und hektischer werdenden Lebenswelt einen Ruhepol und Sehnsuchtsort der Moderne dar“ und „ein extrem nüchterner Blick von einer leicht erhöhten Position hält die Architektur fest“. Okay, kann man bei einem Bildband machen, es soll ja um die Bauwerke gehen.
Wohnanlage Scheffelstraße
Während die vorigen Bauwerke schon ziemliche Eyecatcher sind, wäre ich ohne das Buch an dieser Wohnanlage hinter dem Stadtpark Lichtenberg ganz sicher achtlos vorbeigelaufen. Das Haus in der Scheffelstraße stammt aus der Feder von Hans Kraffert und wurde 1926/1927 erbaut, aber man muss schon davor stehen bleiben und hoch schauen, um die interessanten Formen zu erkennen.
Bauhaus in Berlin – Fazit
Insgesamt sind 150 Bilder in dem Buch und ich habe darin viel Neues entdeckt. Was ich mir bisher angesehen habe, hat sich definitiv gelohnt. Vielen Gebäuden kann ich weniger abgewinnen, aber ich hab ein paar Ziele, die ich für Fotos noch ansteuern möchte:
- Gaswerkssiedlung Lichtenberg
- Kino Titania Palast Steglitz
- Columbia-Theater Kreuzberg
Übrigens sind auch einige Häuser im Hansaviertel in dem Buch abgebildet. Dort könnt ihr mit Beyond and Beneath Tours eine tolle Führung mitmachen.
Das Buch „Bauhaus in Berlin. Eine fotografische Reise durch die Klassische Moderne“ von Jean Molitor und Kaija Voss kostet 42 Euro und kann unter anderem direkt beim BeBra Verlag bestellt werden.