Berliner Ensemble: Führung hinter die Kulissen

Liebt ihr alte Theatersäle? Dann seid ihr in diesem Gebäude aus dem Jahr 1892 genau richtig, denn es hat den Zweiten Weltkrieg nahezu unbeschadet überstanden und besitzt noch seinen alten Glanz. Wer nicht nur den prächtigen Zuschauerraum bewundern, sondern auch mal auf oder unter der Bühne stehen will, der sollte das Berliner Ensemble per Führung erkunden.

Helene Weigel und Bertolt Brecht

Zwar hat das traditionsreiche Haus auch eine Vorkriegsgeschichte und mit Max Reinhardt von 1903 bis 1906 einen berühmten Direktor – zu seiner heutigen Bekanntheit verhalf ihm allerdings das Künstlerehepar Helene Weigel und Bertolt Brecht. Über die erfahrt ihr während der Führung durch das Berliner Ensemble, das vor 1954 Theater am Schiffbauerdamm hieß, darum natürlich auch einiges. Brecht hat in dem pompösen Zuschauerraum, der 700 Gäste fasst, beispielsweise ein kleine Veränderung vorgenommen, die seine kommunistische Überzeugung zum Ausdruck brachte – der Denkmalschutz des Gebäudes verhinderte drastischere Maßnahmen in dem Saal.

Bei seiner Eröffnung war übrigens alles, was euch da so schön entgegen glitzert, echtes Gold. Inzwischen handelt es sich nur noch um goldene Farbe, aber das macht nichts, der Anblick ist allemal atemberaubend. Was ich bis dato noch nie gesehen hatte: einen echten Eisernen Vorhang. Zum Glück natürlich, denn der ist in Theatern Vorschrift und wird nur bei Feuer heruntergelassen.

Wusstet ihr, dass hier Szenen für die Serie „Babylon Berlin“ gedreht wurden? Ich nicht und ich war jetzt schon begeistert von den ganzen Geschichten und spannenden Infos – die Highlights kamen allerdings erst noch, denn nun ging es weiter in die Areale, die man ansonsten nicht betreten darf!

Auf und unter der Bühne des Berliner Ensembles

Die Bühne wirkt riesig, wenn man erstmal draufsteht – allerdings hat das Theater einige bauliche Besonderheiten und was Laien vielleicht gigantisch erscheint, ist es gar nicht. Das Berliner Ensemble hat im Gegensatz zu den meisten anderen Schauspielhäusern nämlich keinen Raum mehr hinter der Bühne. Darum werden Theaterstücke hier immer mehrere Tage nacheinander aufgeführt, weil es so aufwendig ist, die Bühnenbilder auf- und abzubauen, die irgendwo in Weißensee eingelagert sind. Und sollte eine Schauspielerin oder ein Schauspieler mal auf der einen Seite die Bühne verlassen und auf der anderen wieder erscheinen, muss sie oder er durchs Foyer flitzen.

Aber ihr erfahrt noch viele weitere interessante Details über die ungewöhnliche Steigung oder die Drehbühne, welche die zweite in Deutschland war. Und die dürft ihr dann auch von unten bestaunen. Auch hier gibt es viel zu erfahren, vor allem über die findige Helene Weigel, aber ich will nicht spoilern!

Färberaum und Fundus

Weiter geht die Tour in Bereiche, von denen die meisten bisher vermutlich nur gehört haben. Im Färberaum stehen beispielsweise die Abdrücke aller Köpfe der Schauspieler*innen der Truppe. Die werden für Perücken und Masken benötigt – unglaublich, wie lange daran teilweise gearbeitet wird. Das Ensemble umfasst übrigens 27 feste Darsteller*innen, die damit nur einen sehr kleinen Teil des gesamten Teams darstellen, das weit über 200 Festangestellte umfasst.

Den Fundus hatte ich mir tatsächlich auch genau so vorgestellt, wie er aussieht. Klar, ein Raum voller Kostüme und Accessoires halt, aber trotzdem aufregend, mal drin zu stehen. Leider endet die einstündige Führung hier schon – ich hätte gerne noch viel mehr gesehen und gehört!

Bertolt-Brecht-Platz

Heute war das Wetter ziemlich scheußlich, aber wer die Führung durch das Berliner Ensemble bei Sonnenschein macht, der sollte noch ein bisschen Zeit für den dortigen Bertolt-Brecht-Platz einplanen. Hier sitzt nicht nur seine Statue, auf mehreren Säulen könnt ihr auch etliche Zitate von ihm lesen. Brecht gehörte, bis das Projekt 2022 mangels Fördergelder eingestellt wurde, übrigens zu den Berliner Talking Statues – schade, dass er nun nicht mehr anruft!

Die Fotos sind vom Sommer 2022 – ebenso wie das erste Foto, auf dem aus gegebenem Anlass die Friedenstaube von Pablo Picasso die Fassade schmückt. Sie gilt als Symbol des Theaters und hing zu Brechts Zeiten vor dem Vorhang im großen Saal.

Führung im Berliner Ensemble? Unbedingt

Die eine Stunde verging viel zu schnell! Ich kann die Führung allen empfehlen, die sich für Geschichte, Brecht, Theater, Kultur oder einfach Berlin interessieren. 5 Euro ist wirklich ein sehr günstiger Preis! Leider ist diesen Januar das älteste Ensemblemitglied verstorben – Werner Riemann hat über 60 Jahre am Berliner Ensemble gearbeitet und früher diese Führungen geleitet. Er kannte Helene Weigel noch persönlich und konnte sicher toll aus dem Nähkästchen plaudern. Eine verpasste Chance, aber dennoch ein tolles Erlebnis! Man sollte auch in der eigenen Stadt an viel viel mehr Führungen teilnehmen. Karten für die Veranstaltung, die immer sonntags stattfindet, bekommt ihr auf deren Homepage. Spontan müsst ihr aber viel Glück haben, meistens sind die Tickets so 2-3 Wochen im Voraus ausverkauft. Dann macht einfach alternativ den kostenlosen Audiowalk „Brecht stirbt“!

(Es handelt sich um eine persönliche Empfehlung, die ihr meinetwegen auch unbezahlte Werbung nennen könnt.)