Spaziergänge

(M)Ein Tag in Berlin mit Staatsbesuch

Arbeit mit Spaß verbinden – perfekt. Für einen Artikel für Reisereporter wollte ich ins „Medizinhistorische Museum der Charité“ und ins „Buchstabenmuseum“. Die Sonne schien und ich zog beschwingt und motiviert los. Am Ostkreuz dann tausende Menschen, Regios gestrichen, S-Bahn nur bis Ostbahnhof, Ringbahn konfus, bitte nicht einsteigen … Staatsbesuch, na danke!

Einfach mal schreien

Ich fühlte mich sofort um den Tag betrogen, den ich mir so schön ausgemalt hatte. Erstmal stand ich da, enttäuscht und wütend und wollte laut brüllen: „F***t euch!“. Ich bewahrte angestrengt die Contenance und fuhr unentschlossen mehrmals runter zur Hauptstraße und wieder hoch („Rolltreppe runter, Rolltreppe empor“ – Eltern wissen, was ich beim dritten mal vor mich hinsang). Dann sollte tatsächlich eine Ringbahn starten, ich sprang übellaunig noch schnell rein, immerhin würde sie mich zur Frankfurter Allee bringen. Die meisten anderen Fahrgäste hatten aber wohl erwartet, dass sie in die andere Richtung fahren würde. Da platzte einer älteren Frau völlig der Kragen. Sie sprang auf und schrie durch den ganzen Waggon. Das könne ja wohl nicht wahr sein, ob man sie verarschen wolle, dass sie ausrasten könnte, dass so eine Scheisse doch echt nur in Berlin passiert. Sie war meine Heldin, obwohl ich auch froh war, dass das nicht ich war! Sofort war meine Stimmung wieder besser und ich lachte in mich hinein. In der U5 hat mich dann noch eine Frau total herzlich angelächelt – alles wieder gut!

Kopf einziehen am Hauptbahnhof

Am Hauptbahnhof kam gefühlt direkt über meinem Kopf ein Hubschrauber der Luftwaffe runter, aber das war längst nicht der einzige. Auf mehreren schwarzen Helikoptern stand Bundespolizei, es war mächtig was los im Luftraum.

Helikoptergeräusche wirken auf mich extrem bedrohlich, darum bin ich schnell über den zubetonierten Humboldthafen weiter Richtung Charité. An der seelenlosen Gestaltung hier ändern auch die Geschichtstafeln nichts, die ich in Berlin eigentlich immer sehr gerne entdecke.

Berliner Medizinhistorisches Museum der Charité

Das Medizinhistorische Museum hat erst kürzlich nach mehrjähriger Renovierung wieder eröffnet und ich war schon ziemlich gespannt. Das letzte Mal war ich vor über 20 Jahren dort und seit der SerieCharité“ finde ich Medizingeschichte richtig interessant.

Berliner Medizinhistorische Museum der Charité
Museumsgebäude auf dem Charitégelände

Die Dauerausstellung nimmt euch mit auf eine kleine Zeitreise durch 300 Jahre Entwicklung in der Medizin: vom anatomischen Theater über pathologische Seziersäle und Virchows Arbeitszimmer bis hin zu moderner Technologie. Alte Sezierwerkzeuge, historische Fachbücher und vieles mehr könnt ihr euch dort anschauen.

Berliner Medizinhistorische Museum der Charité

Der Präparatesaal war mir persönlich zu heftig, den hab ich ziemlich schnell wieder verlassen. Ein weniger belastendes Highlight des Museums ist der Ruinenhörsaal, wo Virchow und andere Mediziner Vorlesungen über Pathologie hielten. Er war Gestern zwar wegen einer Veranstaltung gesperrt, aber im zweiten Stock kann man den ehemaligen Lernort durch ein Fenster sehen.

Berliner Medizinhistorische Museum der Charité – Hörsaalruine
Hörsaalruine im Medizinhistorischen Museum

Vorbei am schwer bewachten Regierungsviertel

Von hier wollte ich die 2,2 Kilometer bis zum Buchstabenmuseum zu Fuß gehen. Vorbei an futuristischen Gebäuden, die zwar sehr fotogen, aber nicht besonders hübsch sind, wurde die Polizeipräsenz auf Schritt und Tritt größer.

Nachdem ich zum ersten Mal überhaupt Polizei-Jetskis auf dem Wasser gesehen hatte, musste ich nun doch mal googeln, wer eigentlich gerade zu Besuch ist: Selenskij. Das erklärte natürlich so einiges.

Kaum lässt man das Kanzleramt und den Hauptbahnhof hinter sich und schlendert über die Alt-Moabit, ändert sich das Gesicht der Stadt völlig. Schenkeboxen, verfaulte Sitzbänke, Werkstätten und aus der Zeit gefallene Geschäfte prägen dann das Bild.

Was sich nicht änderte: an jeder Ecke und Kreuzung Hundertschaften, Helikopterlärm und sogar LKWs der Polizeitaucher – auch in Bellevue war nämlich hoher Besuch: Dort war der israelische Staatspräsident Isaac Herzog zu Gast. Einen krasseren Tag hätte ich für meine Tour kaum aussuchen können. Über den Gerickesteg, den ich glaube ich noch nie überquert hatte, kam ich dann langsam ans Ziel.

Das Buchstabenmuseum

Das Buchstabenmuseum im Hansaviertel war zu meiner Freude in meinem Kulturabo Abundo enthalten. Die ungewöhnliche Ausstellung befindet sich seit 2016 direkt in den Stadtbahnbögen am Bahnhof Bellevue und hatte es bisher nie geschafft, dass ich mal vorbeischaue. Völlig zu Unrecht!

Buchstabenmuseum
Dickes B im Buchstabenmuseum

Und weil ich so positiv überrascht war, hat das Museum mit den aus dem Stadtbild verschwundenen Fassadentypografien auch einen eigenen Artikel bekommen: „Buchstabenmuseum Berlin – typografische Stadtgeschichte“.

Staatsbesuch – cool bleiben

Als ich nach meinem Ausflug zur S-Bahn kam, waren die Sperrungen bereits wieder aufgehoben und alles fuhr wieder problemlos. Gut, dass ich in meiner ersten Wut nicht wieder nach Hause gegangen bin, eigentlich war das doch ganz spannend alles. Im Gegensatz zu vielen anderen an irgendeinem Bahnhof Gestrandeten hatte ich keinen Termindruck und trotzdem wäre ich kurzzeitig gerne ausgerastet. Nächstes Mal bei Staatsbesuch also einfach erstmal durchatmen und den Tag nicht gleich abschreiben. Es kann sich lohnen 🙂

Und inzwischen ist auch meine Reisereportertext online: Das sind die 8 verrücktesten Museen in Berlin. Es waren eigentlich 9, aber ein CEO hat mir sehr empört geschrieben, dass sein zukunftweisendes Museum nicht in diese Liste passt. Die anderen wären ja nichtmal richtige Museen. Naja, gut, wer nicht will, der hat schon!

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