Mit Berlins Taiga durch die „Verbotene Stadt“
Verbotene Stadt klingt erstmal nach Peking. So weit muss man dafür allerdings gar nicht reisen. Es reicht, wenn ihr bis Potsdam fahrt – dann könnt ihr euch bei einer Führung von Berlins Taiga die Sperrgebiete zeigen lassen, in die zu unterschiedlichen Zeiten auch Potsdamer keinen Zutritt hatten. Tourguide Holger Raschke ist hier umgeben von Mauern, Kasernen und dem Anblick von Sowjetsoldaten aufgewachsen und nimmt euch mit auf eine dreistündige Besichtigung.
Startpunkt Spionenbrücke
Treffpunkt für die ausverkaufte Tour ist die Glienicker Brücke, die vor allem durch den Film „Bridge of Spies“ berühmt wurde. Der entstandene Eindruck, dass hier ständig Spione ausgetauscht wurden, täuscht allerdings – das gab es tatsächlich nur 3 mal in der Geschichte des Kalten Krieges.
Nicht nur Holger ist bei der heutigen Führung Zeitzeuge – auch Gäste steuern spannende Anekdoten bei und reichen Fotos der ehemaligen Grenzanlagen rum. Die persönlichen Geschichten machen die Tour besonders eindrücklich. Ich konnte mir richtig die Enttäuschung vorstellen, die er als Kind gespürt hat, als er beim ersten Überqueren der Brücke nach Maueröffnung auf der anderen Seite nur die Bäume des Glienicker Schlossparks sah. Mit Schloss Babelsberg im Rücken ging es unter der Brücke durch auf die Schwanenallee.
Dort steht die Villa Schöningen, die 1945 von der Roten Armee beschlagnahmt wurde und als Lazarett für Soldaten genutzt wurde. Später lag das Haus im DDR-Grenzsperrgebiet und wurde als Kinderheim genutzt. Mit Fotos davon, wie der Uferstreifen hier früher aussah, ging es weiter am Wasser entlang.
Wo wir heute so schön mit Blick auf das Wasser entlang spazieren können, befand sich das sogenannte Grenzgebiet am Jungfernsee. Die Häuser konnten in dieser Zeit weiter bewohnt werden, waren laut Holger aber nicht besonders beliebt. Heute gilt die Schwanenallee als äußert begehrt und eine Wohnung in der historischen Kaiserlichen Matrosenstation im Wikingerstil kostet viele tausend Euro Kaltmiete. Übrigens wohnt in einem der Anwesen der ehemalige Bild-Chef Kai Diekmann (Ja, genau, missglückte Penisverlängerung). Durch eine gewollte Lücke in seiner Hecke schaut man auf die Skulptur eines zeitunglesenden Affen. Tja, das hält er wohl von denen, die seinen Müll gekauft und ihm dieses Häuschen verschafft haben!
Neuer Garten
Der UNESCO-geschützte Neue Garten ist heute so schön idyllisch – schwer vorstellbar, dass hier zu DDR-Zeiten der gesamte Uferbewuchs gerodet wurde. Seit der Wende wurde allerdings einiges dafür getan, um der Parkanlage ihr ursprüngliches Gesicht zurückzugeben. Es gibt laut Holger wohl auch einen großen Streit darüber, ob die Anlage zur Freizeitgestaltung genutzt werden soll. Das Bild entlang der gewollten Sichtachsen, die auf der einen Seite rüber zur nach Sacrow und zur Pfaueninsel reichen und auf der anderen Seite auf das Marmorpalais fallen, wird ergänzt durch etliche FKK-Sonnenbadende.
Weiter geht es zum Schloss Cecilienhof, einem bedeutenden Schauplatz der neueren Geschichte. Hier trafen sich Truman, Churchill und Stalin, um über die Zukunft Deutschlands und Europas zu verhandeln. Unser Tourguide zeigt uns hier nicht nur historische Karten, sondern auch die Stelle, wo eines der vielleicht berühmtesten Fotos der Weltgeschichte aufgenommen wurde.
Doch auch in der jüngsten Geschichte spielte das herrschaftliche Anwesen eine Rolle: Die Hohenzollern wollten den einstigen Besitz ihrer Familie zurück haben und als Wohnhaus nutzen. Dabei dienten ihre Vorfahren – wie Holger es treffend ausdrückte – als Steigbügelhalter für Hitlers Machtergreifung!
Militärstädtchen Nr. 7
Direkt an den Neuen Garten grenzt ein mir bis dahin völlig unbekanntes Sperrgebiet an: die Geheimdienststadt „Militärstädtchen Nr. 7″. Ein Areal, wo einst der KGB hinter Mauern schaltete und waltete. Auch hier hat Holger einiges an spannendem Kartenmaterial für uns dabei. Wir passieren nicht nur das Wohngebiet, sondern auch die ehemalige Wache und die einstige Deutschlandzentrale der sowjetischen Militärspionageabwehr.
Die Führung endet an der Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße, wo sich bis in die 1980er Jahre ein Untersuchungsgefängnis der sowjetischen militärischen Spionageabwehr befand, dessen Gebäude authentisch erhalten wurde.
Berlins Taiga
Ich war mal wieder völlig überrascht und begeistert davon, was es alles quasi vor der Haustüre zu entdecken gibt! Ich hab aber nicht nur Einblicke in mir eher unbekannte Kapitel der Geschichte bekommen – besonders toll ist, was Holger aus seinen persönlichen Erinnerungen zu erzählen hat. Auch die Landkarten und Fotos, die er uns gezeigt hat, haben die Tour bereichert und anschaulich gemacht! Ich kann euch die Verbotene-Stadt-Führung absolut ans Herz legen. Berlins Taiga organisiert aber nicht nur öffentliche Führungen, sondern auch kleinere Gruppentouren.
(An der Führung durfte ich auf Anfrage kostenlos teilnehmen. Ich habe mir die Tour allerdings selbst ausgesucht und auf meinen Text hatte das keinen Einfluss)