Gruss aus Berlin 1899
Kultur & Geschichte

Grüße aus Berlin: Postkarten im Kaiserreich

Eine Leserin hatte beim Ausmisten alte Postkarten gefunden und fragte mich, ob ich Interesse daran hätte. Klar! Darauf zu sehen: Mitglieder der Kaiserfamilie. Ein bisschen Stöbern nach alten Ansichtskarten bei Ebay, ein bisschen Rumlesen über die Geschichte der Postkarte – schwupp waren ein paar Stunden vergangen. Dafür hatte ich ganz viele Inspirationen rund um Grüße aus Berlin gesammelt, die ich jetzt mit euch teilen kann.

Kleine Geschichte der Postkarte

Grüße aus Berlin oder anderswo analog in die Welt zu schicken kommt immer mehr aus der Mode. Und die nahm ihren Anfang vor 155 Jahren, genauer gesagt am 1. Oktober 1869. Die Idee dazu stammte allerdings aus dem Jahr 1865 und stieß erstmal auf Kritik. Man war besorgt um das Briefgeheimnis und um die Wahrung der guten Sitten. Trotzdem führte Österreich als erstes Land die „Correspondenz-Karte“ ein und verkaufte noch bis Ende 1869 3 Millionen Exemplare. 1870 war es dann auch in Deutschland soweit – und man traf den Zeitgeist. In Berlin gingen am ersten Verkaufstag über 45.000 dieser Karten über den Tresen.

Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Postkarten dann farbig und noch beliebter, auch als Sammelobjekte. Seine Blütezeit erlebt das Medium in der Zeit bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges. 440 Millionen Ansichtskarten beförderte die Reichspost beispielsweise allein im Jahr 1900.

Angehörige des deutschen Heeres durften während des Ersten Weltkrieges Postkarten kostenfrei verschicken – etwa 10 Milliarden davon wurden zu dieser Zeit als Feldpost versendet. So viele, dass sie als Teil der deutschen Geschichte auch im Deutschlandmuseum ihren Platz gefunden haben.

Feldpost im Deutschlandmuseum

Nach 1918 ließ die Bedeutung der Ansichtskarten nach. Das war nicht nur der schwierigen wirtschaftlichen Lage geschuldet, auch aufkommende neuere Medien lösten die Postkarten als Kommunikationsmittel ab. Zum 150. Jubiläum der Postkarte im Jahr 2019 gab es im Museum für Kommunikation Berlin eine Sonderausstellung, die ich zwar nicht gesehen habe, aber deren Infos ich genutzt habe. Wer mehr wissen will, schaut am besten bei ausstellung-postkarte.de vorbei. Aber auch in der Dauerausstellung findet ihr viel zu dem Thema. Richtig spannend finde ich, dass damals geheime Botschaften per Briefmarken übermittelt wurden.

Aber auch die Entwicklung des Alexanderplatzes anhand von Postkarten gefällt mir. Markant war bis 1944 die Statue der Berolina, die Freiheit und Weltoffenheit verkörperte. Ihr genaues Schicksal ist unbekannt, sie gilt als verschollen und wurde möglicherweise eingeschmolzen.

Das Museum ist aber auch allein wegen seines beeindruckenden Gebäudes mit dem Lichthof sehenswert! Kleiner Tipp: vormittags unter der Woche ist das Museum voller Schulklassen, ansonsten ist es eher entspannt.

Schönes Museumsgebäude

Berlin auf Postkarten

In den 1880er Jahren begann man, die Nichtadressseite zur Hälfte mit Bildern zu versehen, beispielsweise mit Sehenswürdigkeiten. Die andere Hälfte wurde beschrieben. Als Motive für Berliner Ansichtskarten dienten bekannte Landmarken wie das Königliche Schauspielhaus, der Gendarmenmarkt, der Berliner Dom (damals Neuer Dom) oder der Goldfischteich im Tiergarten. Vieles ist inzwischen aus dem Stadtbild verschwunden, nicht nur die Berolina. Auch das Grand Hotel Alexanderplatz, der Potsdamer Bahnhof und ein großer Teil des Anhalter Bahnhofs, die auf den Ansichtskarten zu sehen sind, gibt es nicht mehr.

Grüße aus Berlin – Berolina
Grüße aus Berlin – Postkarte
Grüße aus Berlin – Schauspielhaus
Grüße aus Berlin

Auf vielen Karten sind Collagen abgebildet, es gab aber auch andere Designs. Diese Karte von 1899 mit den Blumen im Jugendstil gefällt mir besonders gut. Auf das Textfeld passte allerdings tatsächlich kaum mehr als ein kurzer Gruß.

Grüße aus Berlin – Neuer Dom
Schönes Jugendstil-Design

Im Jahr 1905 wurde die Adressseite dann geteilt, um eine Seite der Postkarte ausschließlich für Bilder zur Verfügung zu haben. Hier seht ihr ein Exemplar von 1916, das das Kaiser-Friedrich-Museum bzw. das heutige Bode-Museum zeigt.

Grüße aus Berlin – Kaiser-Friedrich-Museum
Grüße aus Berlin von 1916

In Berlin wurde zur Blütezeit der Postkarte übrigens bis zu 11 mal pro Tag zugestellt. Darum konnte man sich damals tatsächlich morgens per Postkarte für den gleichen Tag verabreden.

Neues von Gestern

Heute sieht man Eilmeldungen direkt auf dem Handy, im Kaiserreich bekam man Wichtiges per Postkarte gleich am nächsten Tag. Unfälle oder Katastrophen wurden so verbreitet und auch sonst wurden Postkarten mit dem bedruckt, was heute Boulevardzeitung so an „News“ bieten.

Gesehen im Museum für Kommunikation Berlin

In dem lesenswerten Spiegel-Artikel „Irrsinn per Post“ von 2008 wird die Ansichtskarte als schnellstes und zuverlässigsten Kommunikationsmittel der damaligen Zeit beschrieben. In dem Text hab ich außerdem das hier gefunden: „Als am 26. September 1908 in Berlin eine Hochbahn auf einem Viadukt entgleiste, wusste das spätestens am darauffolgenden Tag ganz Deutschland – dank einer Postkarte. Das Bild des Unglücks wurde sofort in großer Auflage gedruckt, an die Verkaufsstellen verteilt und dann von der Bevölkerung Berlins zehntausendfach in alle Ecken des Landes verschickt“. Klar, dass ich sofort neugierig war …

Grüße aus Berlin – Postkarte Hochbahnunglück
Nachrichtenpostkarte aus Berlin

Was war passiert? Auf der 1902 eröffneten Stammbahn trafen sich damals an der Kreuzungsstelle Gleisdreieck, damals noch kein Ausstiegsbahnhof, drei Streckenabschnitte. Als ein Zugführer ein Signal übersah, rasten zwei Bahnen auf dem selben Gleis aufeinander zu und kollidierten. Ein Waggon stürzte 10 Meter in die Tiefe. 20 Menschen starben bei dem Unfall. Als es 1911 zu einem weiteren Zwischenfall kam, baute man 1912/1913 den Bahnhof Gleisdreieck – ein Umsteigebahnhof mit getrennten Linien auf verschiedenen Ebenen. Wieder was gelernt.

Die Hohenzollern auf Postkarten

Und jetzt nochmal zum Anfang: Postkarten mit Mitgliedern der kaiserlichen Familie scheinen ebenfalls beliebt gewesen zu sein. Die vier Exemplare, die ich bekommen habe, stammen aus den Jahren 1906 bis 1917. Drei davon zeigen nicht den Kaiser selbst, sondern die Familie seines Sohnes Kronprinz Wilhelm.

Die kronprinzliche Familie

Zumindest bei der Karte links oben handelt es sich um eine sogenannte Wohlfahrtskarte. Cecilie, die letzte Kronprinzessin Preußens, lebte mit ihren 6 Kindern während des Ersten Weltkrieges in Berlin im Kronprinzenpalais und übernahm caritative Aufgaben. Mit der „Cecilienhilfe“ sollten soziale Nöte gelindert werden.

Wohlfahrtskarte: „Zum Besten der Cecilienhilfe“

Grüße aus Berlin

Ich hoffe, ein paar von euch fanden das jetzt interessant, denn ich befürchte, das war mein bisher teuerster Artikel. Da ich auch schon etliche Starpostkarten aus den 20er- und 30er-Jahren habe, bin ich jetzt vermutlich eine Sammlerin. Oder Fetischistin? Im besagtem Spiegelartikel werden Postkarten jedenfalls als der „erste Sammelfetisch kleiner Leute“ bezeichnet.

Fetisch kleiner Leute

Zum Glück konnte ich mich auf Ebay irgendwann bremsen, denn es gibt wirklich massig davon. Und nicht nur Berlinkarten – auch Kitschkarten, Satirekarten usw. Wusstet ihr, dass man dachte, am 19. Mai 1910 würde wegen des Halleyschen Kometen die Welt untergehen? Fantastische Postkarten … aber das ist eine andere Geschichte.

Und hier noch ein Zufallsfund vom S-Bahnhof Neukölln. Der Gruß aus Rixdorf ist doch putzig, oder?

3 Comments

  • Sabine Arndt

    11mal am Tag! Als emsige Postkartenschreiberin bin ich schon froh, wenn die Karte ankommt , bevor ich wieder Zuhause bin… Interessanter Artikel und ein cooler Einblick in die Geschichte der Postkarte.

    • Tina Hoffmann

      Cool, dass du noch emsig Karten schreibst. Nach meinem Text habe ich mir das auch wieder vorgenommen. Die Zahlen sind jedenfalls stark rückläufig. Bei t-online hab ich das gelesen:„2023 beförderte die Deutsche Post rund 95 Millionen Postkarten. 2021 waren es rund 116,5 Millionen Postkarten, 120 Millionen in 2020“. Zufällig gab es dort heute einen Artikel über einen Berliner Postkartensammler 🙂

  • Karin

    Danke für den kurzweiligen Artikel. Hat echt Spaß gemacht, ihn zu lesen, denn da bin ich richtig nostalgisch geworden…alte Bilder von Berlin sind immer wieder schön:)

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