Zwillingstürme in Berlin
Bei Zwillingstürmen dachte ich bisher normalerweise zuerst an die Petronas Towers in Kuala Lumpur oder an das zerstörte World Trade Center in New York. Berlin hatte ich dabei jedenfalls nie auf dem Schirm. Als ich dann vor einigen Wochen mal in der Pablo-Neruda-Bibliothek an der Frankfurter Allee durch das Buch „Wolkenkratzend: Berliner Hochhäuser für Kinder” von Arne Winkelmann blätterte, hatte ich einen richtigen Aha-Moment. Es gibt Zwillingstürme in Berlin – und zwar gleich mehrere.
Die TwinTowers in Alt-Treptow
Die erste meiner heutigen Stationen liegt direkt bei mir um die Ecke. Gesehen habe ich das Gebäude natürlich schon oft und tatsächlich trägt es ja auch den Namen „TwinTowers” – große Beachtung habe ich ihm aber bisher nie geschenkt. Die Zwillingstürme liegen direkt am Wasser und sind Teil des Großprojektes Mediaspree zwischen Elsen- und Jannowitzbrücke. Hier haben sich große Unternehmen wie Coca Cola sowie Medienunternehmen in einer Mischung aus alten Industrie- und Gewerbebauten und modernen Neubauten angesiedelt. Das Konzept dieses Areals sieht eine frei zugängliche Ufernutzung sowie eine öffentliche Nutzung der Erdgeschosse der Gebäude vor. Ihr könnt also am Wasser entlang spazieren oder auch in einem der Restaurants oder Cafés mit Blick auf das Areal sitzen. Für einen besseren Blick auf die 60 Meter hohen Türme entscheide ich mich für das nördliche Spreeufer in Friedrichshain, die TwinTowers selbst stehen allerdings gegenüber am Südufer.
Heute nehme ich mir einmal Zeit, um die zwei 15-geschossigen Türme genauer zu betrachten. Sie sehen vielleicht ein bisschen aus wie Schiffssegel – irgendwie kann ich dem als Büros genutzten Bau aber einfach nicht viel abgewinnen. Als Hintergrund für die Molecule Man – die 30 Meter hohe Wasserstatue von Jonathan Borofsky – gefallen sie mir allerdings ganz gut. Irgendwie charmant finde ich auch das direkt vor den Zwillingstürmen vor sich hindümpelende Wrack der „Dr. Ingrid Wrengler”. Die Schiffsruine wird allmählich von der Natur zurückerobert und gerne auch mal als Anlegestelle für Kanus und ein Feierabendbier genutzt.
Zwillingsturm Oberbaumbrücke
Als ich Mediaspree Richtung Oberbaumbrücke weiterlaufe, fällt mir auf, dass die aufwendig gestaltete Verbindung zwischen Friedrichshain und Kreuzberg auch zwei Türme hat. Allerdings ist das ein Zwillingsturm, also zwei Türme oben auf einem Gebäude. Zwillingstürme hingegen sind zwei eigenständige Gebäude. Die Brücke aus dem Jahr 1896 ist trotzdem mehr als einen Blick wert – zu Fuß kann ich die Überquerung aber nicht unbedingt empfehlen. Wobei im Moment ja fast jeder einen Mund-Nasen-Schutz dabei hat …
Von hier bringt mich die Tram M10 in wenigen Minuten zu meinem nächsten Ziel.
Die Kuppeltürme am Frankfurter Tor
Wo sich heute die Frankfurter Allee und die Karl-Marx-Allee treffen, wurde ab 1949 die „Stalinallee” errichtet, die von hier bis zum Alexanderplatz reichte. Die einstige Prachtstraße der DDR ist 90 Meter breit und mit ihren Monumentalbauten im sowjetischen Stil immer noch imposant. Und direkt am Beginn des ehemals prestigeträchtigen Boulevards stehen die nächsten Zwillingstürme meiner Liste.
Wenn ihr euch in den Mittelstreifen auf der Frankfurter Allee stellt, habt ihr zwischen den Türmen eine Sichtachse bis zum Fernsehturm. Allerdings wird der Blick durch den Schilder- und Ampelwald ein wenig getrübt. Gleich viel schöner wird der Anblick des Nord- und Südturms, wenn ihr die Petersburger Straße ein Stückchen Richtung Bersarinplatz hochlauft. Dort könnt ihr die beiden Türme mit ihren grünen Kuppeln durch dichte Baumkronen bewundern.
Wer etwas vom Innenleben sehen möchte, muss sich mit der aus einem Raum bestehenden „Galerie im Turm” im Erdgeschoss der Hausnummer 1 begnügen. Dort werden überwiegend Einzelausstellungen zeitgenössischer lokaler Künstler gezeigt. Weiter ins Innere und vor allem höher kommt man nur, wenn man es sich leisten kann, die ziemlich exklusive Eventlocation „Lounge im Turm” zu mieten. Die Aussicht von oben stelle ich mir wirklich grandios vor.
Architektur-Stilmix
Man muss übrigens kein Stilexperte zu sein, um zu sehen, dass die zierlichen Kuppeln nicht zu den Arbeiterpalästen und anderen klobigen Bauten der Stalinallee passen. Sie sind filigran und eindeutig barock. Zwar habe ich es später auch noch in einem Zeitungsartikel gelesen, aber ich bin wirklich selbst darauf gekommen – sie erinnern auffällig an die Türme am Gendarmenmarkt. Ein weiterer Aha-Moment. Die dortigen Zwillingstürme wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört mit diesen neuen Kuppeln sollten sie den Berlinern in Erinnerung bleiben. Also beschloss ich, einen weiteren Abstecher zu machen. Ich fuhr von hier mit der U5 zum Alexanderplatz und schlenderte von dort zu Fuß weiter.
Die Zwillingsdome am Gendarmenmarkt
Ein Spaziergang durch Mitte hat mir schon lange nicht so viel Spaß gemacht wie heute. Wo sich sonst rund um Pfingsten die Touristen auf die Füße treten, war so gut wie niemand unterwegs. In den Nebenstraßen fuhren zudem auch quasi keine Autos und ich konnte mich sogar auf die Straße stellen, um Fotos zu schießen. Schade nur, dass das Wetter immer schlechter wurde und dichte Wolken den Himmel trübten.
Zu Recht gilt der Gendarmenmarkt als einer der schönsten Platz Berlins – das Ensemble aus Konzerthaus in der Mitte und den flankierenden Türmen zu beiden Seiten ist wirklich schick. Der Platz entstand Ende des 18. Jahrhunderts, als sich französische Protestanten (die Hugenotten) in dem Viertel ansiedelten. Seinen heutigen Namen bekam er im Jahr 1799. Der Französische und der Deutsche Dom sind übrigens keine Kirchen. Die Bezeichnung Dom stammt von dem französischen Wort für Kuppel – dôme.
Der Französische Dom verfügt zwar über eine Aussichtsplattform, leider ist diese im Moment nicht zugänglich, da sie ebenso wie das dortige Hugenottenmuseum seit 2017 saniert wird. (Update: Ihr könnt jetzt wieder rein!) Kostenlos zugänglich ist dafür der Deutsche Dom mit einer Ausstellung zum Thema parlamentarische Demokratie in Deutschland. Rund um den Platz gibt es etliche Restaurants. Die meisten sind nicht ganz günstig, aber zumindest eine Kaffeepause kann ich euch hier mit Blick auf das Bauensemble nur empfehlen.
Auch die letzte Etappe ist gut zu Fuß zu meistern, bis zum Potsdamer Platz braucht ihr etwa 15 Minuten.
Die Zwillingstürme am Potsdamer Platz
Der Potsdamer Platz spaltet die Gemüter – für mich persönlich gehört er auch nicht zu den Lieblingsorten Berlins. Und tatsächlich sind auch die Zwillingstürme genau genommen nur Fake-Zwillinge. Sie sehen auf den ersten Blick zwar relativ identisch aus und bilden eine Art Tor, allerdings stammen sie von unterschiedlichen Architekten.
Das linke entstand in den Jahren 2001-2004 und gehört zum sogenannten Beisheim Center – mehrere Bauten, die ein ganzes Quartier bilden. In dem 70m hohen Turm befinden sich das Ritz-Carlton Hotel Berlin und in den obersten Stockwerken einige Apartments. Das rechte P5 genannte Hochhaus ist mit 65,4 Metern einen Tick kleiner und wurde im Jahr 2003 fertiggestellt. Beide sollen an den Stil der Hochhausbauten im frühen 20. Jahrhundert erinnern.
Zwillingstürme Berlin – es werden mehr
Die Liste der Zwillingstürme in Berlin wird in den nächsten Jahren übrigens weiter wachsen. Bereits weit im Bau fortgeschritten sind die zwei Wohntürme Max und Moritz in Friedrichshain, die ihr von der S-Bahn aus sehen könnt, wenn ihr am Ostbahnhof vorbeifahrt. Am Alexanderplatz hingegen bekommt der Hotelturm des Park Inn einen gleich hohen Nachbarn.
Lust auf mehr Spaziergänge? Wie wäre es mit einem Bummel entlang der Rummelsburger Bucht oder über die Halbinsel Stralau?