Kultur & Geschichte

Führung durch das Wintergarten Varieté

Schon im späten 19. Jahrhundert gab es in Berlin das Wintergarten Varieté. Die heutige Bühne mit diesem Namen ist zwar eine andere, sieht sich aber der Tradition ihres historischen Vorbildes verpflichtet. Wer mehr wissen will, der kann einmal im Monat an einer Führung mit Intendant und Geschäftsführer Georg Strecker teilnehmen. Lohnt sich das? Logo.

Geschichte des historischen Wintergartens

Die Führung startete im Foyer mit einem Überblick über den berühmten Vorläufer. Bis zu seiner vollständigen Zerstörung in einer Bombennacht 1944 gab es nämlich direkt am Bahnhof Friedrichstraße das Wintergarten Varieté. Es gehörte zum Hotel Central und war bei seiner Errichtung 1880 einfach ein Wintergarten für die Gäste, in dem auch erste Konzerte stattfanden. Ab 1884 wurden Theaterstücke aufgeführt, ab 1888 wurde es dann zum Varieté, in dem Zauberkünstler und Akrobaten auftraten. 1895 dann eine Sensation: Der Ort schrieb Filmgeschichte, denn die Brüder Skladanowsky präsentierten hier ihren Kinematographen. In Deutschland die Geburtsstunde des Kinos. Bis zu 5.000 Gäste fasste der Veranstaltungsort, in dem in den 1920er Jahren Größen wie Josephine Baker und Claire Waldoff auftraten.

Das historische Wintergarten Varieté

Der neue Wintergarten

Im Jahr 1992 wurde der heutige Wintergarten unter der künstlerischen Leitung der Roncalli-Gründer neu eröffnet. Allerdings nicht am historischen Ort, sondern in der Potsdamer Straße. Deutlich kleiner, aber dennoch eine Hommage an das Vorbild. Und das Gebäude hat ebenfalls eine lange Tradition. Von 1913 bis 1967 befand sich hier ein Kino, ab 1974 diente es als Konzertbühne. Im sogenannten Quartier Latin traten Bands wie Ton Steine Scherben, Die Ärzte, The Pogues oder Einstürzende Neubauten und Künstler*innen wie Nina Hagen, Herbert Grönemeyer oder Blixa Bargeld auf. Genau dort, wo heute Varietéstars brillieren – nur ist der Saal deutlich schicker als damals. Wir durften den Ort erstmal von oben bestaunen. Sehr zum Schrecken eines Bühnenarbeiters, dem ein „Scheisse! Ist etwa schon Einlass?“ entfuhr.

Wintergarten Varieté: Saal
Blick von der Loge

Von da ging es runter zur Bühne, vorbei an riesigen Glasvitrinen mit originalen Kostümen und anderen Accessoires einstiger Varietéstars.

Während wir Neugierigen uns Geschichten über den Ausbau des Saals, die aktuelle Show und die Beschaffenheit der Bühne anhörten, mussten sich neben uns schon die Akrobaten warmmachen. Immer wieder faszinierend, was man mit einem trainierten Körper alles anstellen kann.

Kurz vor der Show

Backstage und Toiletten

Besonders toll bei Theater-Führungen: Die Bereiche, die man bei einem regulären Besuch nie zu sehen bekommt. Garderoben, Technikräume und vieles mehr.

Hier waren wir allerdings überall nur kurz. Es war auch schon einiges los Backstage und wir waren überall etwas im Weg, aber vor allem wollte unser Führer uns unbedingt schnell DAS Highlight zeigen: die Toiletten. Er hat wirklich viel und oft darüber geredet. Ich muss allerdings zugeben, dass ich vor einigen Monaten die Josephine-Baker-Show im Wintergarten angeschaut habe und damals dachte: „Das sind ja wohl die geilsten Toiletten, die ich jemals gesehen habe“ 🙂 Also Trommelwirbel und Türen auf zur Damentoilette …

Wintergarten Varieté: Toiletten
Hereinspaziert

Erstmal gibt es einen Puderraum. Dort könnt ihr euch gemütlich hinsetzen und an Spiegeln mit unterschiedlichsten Vergrößerungen eure Nase pudern, den Lidstrich nachziehen oder was geschminkte Menschen halt so machen. Und während ihr euch die Hände wascht, wirbeln hinter Glasscheiben hinterm Waschbecken weiße Federn durch die Luft.

Vor der Toilette befindet sich eine Lounge, wo euch vor den Vorstellungen ein Pianist mit Klaviermusik berieselt auf dem Weg zum Topf. Nobel, nobel! Kunst könnt ihr dort außerdem bewundern. Derzeit Bilder des Künstlers Robert Nippoldt, der auf die Goldenen Zwanziger spezialisiert ist. Mir gefallen seine Werke ausgesprochen gut!

Wintergarten Varieté: Lounge
Lounge mit Klaviermusik

Und dann gibt es natürlich auch noch das Männerklo. Gestaltet mit Blättern, weil Männer wohl gerne in Wald pinkeln. Einer war gerade fertig als wir zur Besichtigung kamen – vor Schreck hat er glatt vergessen, seine Hände zu waschen. Passiert ihm sonst bestimmt nicht, oder?

Gastronomie im Wintergarten Varieté

Einen kurzen Blick haben wir während der Führung durch das Varieté auch in die Gastronomie geworfen. Es gibt ein Restaurant

… und ein Café im Außenbereich. Das ist tatsächlich ein Wintergarten. Die Wände sind mit echten Pflanzen begrünt und ich fand es insgesamt richtig einladend.

Führung durch das Wintergarten Varieté

Mir hat die Führung, die etwa 75 Minuten (angekündigt sind 40) dauerte, viel Spaß gemacht. Der Preis ist mit 19 Euro kein Schnäppchen, dafür war die Gruppe klein, das finde ich sehr angenehm bei solchen Touren. Sie findet monatlich statt, die Termine findet ihr bereits bis zum Ende des Jahres auf der Webseite des Wintergartens.

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