Berliner Märchen: Spurensuche mit Andreas Hartmann
Berlinbücherabteilungen sind für mich eine wunderbare Inspirationsquelle. Neulich zog ich bei Dussmann ganz gespannt „Das Berliner Märchenbuch“ aus dem Regal und freute mich beim Blättern ganz besonders, weil es sich als eine Mischung aus Sagen, Hintergrundinfos und Sightseeing entpuppte. Dass ich einen Blog darüber schreiben würde, war mir sofort klar. Zu meinem Glück konnte ich sogar den Autor Andreas Hartmann dafür begeistern, mit mir auf Spurensuche von Berliner Märchen zu gehen.
Unterwegs im Wedding
Andreas schlug vor, dass wir uns am Westhafen treffen und dann in die Rehberge und zum Plötzensee radeln, denn dort lassen sich gleich 2 der 18 Geschichten in seinem Buch verorten. Gesagt – getan! Und das Wetter war obendrein auch noch spitze. Mit Blick auf das Strandbad von der anderen Seeseite erfuhr ich erstmal viel über die Entstehungsgeschichte des Berliner Märchenbuches.
Als in Berlin beheimateter Kinderbuchautor (und sogar gebürtiger) wurde er vom Marzellenverlag für den entsprechenden Band einer Märchenreihe angefragt. Auf der Suche nach geeigneten Legenden und Sagen nutzte er vor allem die Berliner Bibliotheken und wunderte sich, was für alte Bücher man hier tatsächlich einfach mit nach Hause nehmen darf. Die Kehrseite: die verflixte Sütterlinschrift der betagten Schinken. Viele der historischen Überlieferungen fielen schon deshalb raus, weil sie keinem Platz zugeordnet werden können, was allerdings zum Merkmal der Reihe gehört. Das war alles sehr spannend für mich, aber was genau war denn nun hier im Wedding?
Sagenhafter Plötzensee
Das Märchen „Der brodelnde Brunnen“, von dem ich bisher nie gehört hatte, erzählt die Geschichte der Entstehung des Plötzensees. Einst soll hier mal ein Dorf mit einem fiesen Vorsteher bzw. Schulzen gestanden haben, der eines Tages auf dem Heimweg durch den Wald einem „Aufhocker“ zum Opfer fiel. Andreas und ich sind uns einig, dass Aufhocker ein wirklich geniales Wort ist. Und was macht so ein Fabelwesen? Es lauert Wanderern auf, hockt sich auf ihren Rücken und lässt sich die ganze Nacht tragen, bis der arme Mensch zusammenbricht.
Der Vorsteher allerdings warf seinen Aufhocker in den Brunnen, der daraufhin schäumend überquoll und das gesamte Dorf überflutete. Der Sage nach soll der Schulze von da an als gemeiner Hecht in dem entstandenen See sein Unwesen getrieben und den Fischern die Netze zerrissen haben. Heute könnt ihr hier einen gemütlichen Tag im historischen Strandbad verbringen und natürlich auch baden.
Das zweite Märchen dürften wohl alle Berliner*innen kennen: „Der Hauptmann von Köpenick“. Etwas streitbar ist, ob es sich dabei um ein Märchen handelt, da die „Köpenickiade“ ja tatsächlich stattgefunden hat, aber es ist in jedem Fall eine legendäre Anekdote aus der Stadtgeschichte. Aber warum Wedding? Dort befand sich früher die Militärbadeanstalt Plötzensee und eben dort hielt das Schlitzohr 1906 den Trupp Wachsoldaten an, mit dem er anschließend nach Köpenick aufbrach.
Weiter in die Rehberge
Wir spazierten weiter in den Volkspark Rehberge, der mit seinen 78 Hektar ganz schön groß ist und auch waldähnliche Bereiche hat. Ob das wohl der Ort ist, in dem der Dorfvorsteher unterwegs war? So wirklich weiß man es nicht. Meistens sind Märchen ja wenn überhaupt nur vage verortet. Eins konnte mir Andreas, der oft herkommt, jedenfalls versichern: Vor Aufhockern muss man sich hier heute nicht mehr fürchten!
Leben als Kinderbuchautor
Während wir durch den Park schlenderten, erzählte Andreas noch ein bisschen von seinem Alltag und seinem Leben als Kinderbuchautor. Er wollte tatsächlich schon mit nur 10 Jahren Schriftsteller werden. Mehr darüber erfahrt ihr auf seiner Homepage Klippenschreiber. Dort könnt ihr außerdem nachlesen, was es mit dem ungewöhnlichen Namen auf sich hat und welche anderen Kinderbücher er bereits veröffentlicht hat. Zum Schluss bekam ich noch mein Exemplar des Berliner Märchenbuches signiert. Tatsächlich mein erstes Buch im Regal mit Autogramm.
„Das Berliner Märchenbuch“ von Andreas Hartmann
Mir haben die Berliner Märchen viel Freude bereitet. Außer dem Hauptmann von Köpenick kannte ich tatsächlich keine der Geschichten. Wo es zu den Personen passt, lässt er sie berlinern, das lese ich ja total gerne. Und Andreas meinte, Berlinerisch können im Gegensatz zu manch anderen Dialekten auch wirklich alle verstehen. Warum beispielsweise die Sagen über die Prinzessin im Teufelssee oder die Wikingerprinzessin im Orankesee nicht dabei sind, wollte ich noch wissen. Ganz einfach: Geschichten über eine Prinzessin auf dem Grund irgendeines Sees sind einfach zu schnell auserzählt. Auch wieder wahr!
Ihr bekommt „Das Berliner Märchenbuch“ in vielen Buchläden, über den Versandhandel oder noch besser über den Autorenwelt-Shop, wo Autor*innen einen etwas höheren Anteil abbekommen.